13. Februar 2016 Das ist kein Winter, der mir Sorgen macht. Jüngst hatte ich am Morgen, als
ich mich an den Schreibtisch setzte, auffallende Kälte beklagt. Natürlich ist die
Heizung in dieser Jahreszeit defekt. Wann sonst? War sie aber nicht. Ich hatte bloß
vergessen, sie wieder einzuschalten, nachdem ich Tage ohne diese Annehmlichkeit
ausgekommen war.
Richtig! Ich muß mich konzentrieren. Seit
Tagen treibe ich in der schönsten Komplexitätskrise ob der Fülle der Aufgaben, die mich
thematisch zwischen sehr kontrastreichen Positionen pendeln lassen. Dazu kommt, daß ich
in den Wochen dieses Jahres mehr Zeit am Herd verbracht habe als mutmaßlich die zehn
Jahre davor.
Es ist ja nicht so, daß ich an
Ernährungsfragen sonderlich interessiert wäre. Diese Art der Klugheit langweilt mich
enorm. Es geht mir um Geschmackswelten. Und es geht darum, im Alter nicht jedes Jahrzehnt
mit weiteren zehn Kilo Körpergewicht aufgewogen zu bekommen. Das wäre es fast schon.
Ich hab zur Zeit einige Freude an der
Beschaulichkeit des Gemüseschneidens. Das holt mich jedesmal verläßlich aus der
aktuellen Komplexitätskrise heraus. Ich mag den Geruch, der davon an den Händen bleibt.
Mich fasziniert der Wandel der Geschmäcker im Verlauf. So wird zum Beispiel etwas
Fenchel, wenn man ihn ins Rohr verfrachtet, zu einer Art botanischem Fisch, der -- je nach
Würzung -- sogar sowas wie Bratensaft abgibt. Erstaunlich!
Gewürze. Ich kaue zur Zeit an allerhand
Varianten roh herum, damit ich mir diese Geheimnisse einverleibe. Ich habe vermutlich mein
ganzes bisheriges Leben lang völlig unterschätzt, was eine Galerie von Gewürzgläsern
für Orchester ergeben kann.
Ähnlich ergeht es mir schon wieder mit dem
Wein. Das unerbittliche Prinzip lautet: Lieber gar keinen Wein als billiges Zeug. Der
Schund ist ja bloß da, um besoffen zu werden. Daran liegt mir nichts. Wenn aber ein
begabter Winzer genug Arbeit darauf verwendet hat, wenn die kundige Winzerin wußte,
welcher Boden sich bei welchem Wetter mit welcher Traube verträgt, dann erwacht Magie.
Mein Kaufmann führt begrenzte Bestände
dessen, was mir gerade noch erschwinglich ist. Erst war der Zweigelt aus, heute
stand ich vor völlig leeren Regal-Höhlen. Wie deprimierend! Diese Roten habe ich
in letzter Zeit gerne mit leichtem Cava kontrastiert. (Simone: "cava? du
luxuskind. ich seh grad eine gestalt im wallenden gewande mit leicht zersaustem haar
durchs haus geistern. schreibt er dann auch und lauscht nebstbei musik, bis das
unvermeidliche eintritt - die komplette ölung quasi?")
Zerzaustes Haar, ja. Über die Hauskleidung
ist aus Gründen der Schicklichkeit zu schweigen. Klassisches, Biographisches, Verborgenes
und Offenkundiges; mir war zum Beispiel bisher nicht klar, wie viel Lieder aus dem
Repertoire von Janis Joplin ich mitsingen könnte. Freilich hab ich jüngst im Kino nicht
gesungen, nur stellenweise gesummt.
Ein in jeder Hinsicht unvergeßlicher Abend.
Ein Glücksfall darin: der milde Winter, in dem man zwar frieren kann, aber nicht
erfriert. Selbst aus dem Packeis lassen sich Routen brechen. Und was liegt hinter den
Horizonten? Keine Ahnung! |