24. Dezember 2015

Nun dämmert dieser Tag gerade erst herauf. Was ich gestern auf einem kurzen Gang durch das Stadtzentrum gesehen hab, wird sich heute noch einige Stunden in höher verdichteter Form auf den Straßen ereignen. Das zu ahnen bedarf keine prophetischen Gaben.

Neurobiologe Gerald Hüther, dessen Überlegungen mich derzeit beschäftigen, betont zwei Bedürfnisse, die uns Menschen besonders zu bewegen scheinen: Dazugehören und frei sein. Das ist eindeutig für Fortgeschrittene.

Was noch? Massenproduktionsvorteile. So ein sperriger Begriff, aber phonetisch derart rund. Da geht es etwa um die Rationalisierung von Herstellung und Distribution. Das sind so kleine Sätzchen, die einen beunruhigen können.

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Dabei fesseln mich gerade wieder agrarische Belange. Aber das ist ja alles verknüpft. Als sich die Elektromotoren durchsetzten, veränderte sich die Industrie. Henry Ford war nicht der erste Unternehmer, dem das Prinzip des Fließbandes nützlich wurde. Die Anregungen dazu kamen aus den Schlachthöfen.

Agrarische Welt, Industrie, urbanes Leben. Das hat seine regionalen Dimensionen, in denen man blühende Felder ebenso wie Werkshallen sehen kann, je nachdem, wie man gerade in der Gegend herumsteht. Ich beginne eben wieder, mir das gemeinsam mit Karl Bauer genauer anzusehen. Siehe dazu: "Agrarische Welt: Umbrüche" [link]

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Die Tierärzte Hannes Resch (links) und Karl Bauer

In diesen Zusammenhängen ist mir bei Jeremy Rifkin etwas aufgefallen, das mich verblüfft; vor allem, weil ich es zuvor noch nie bedacht habe. In seinem Nachdenken über die Dritte Industrielle Revolution erwähnt der das Verschwinden der Wildnis.

Wir ackern Wildgebiete weg und bringen deren Bewohner an den Rand des Aussterbens. Zugleich haben Erste und Zweite Industrielle Revolution ein erhebliches Habitatproblem aufgeworfen. Auf dieses Thema stieß ich vor Jahren, als ich mit der Ortlos-Crew [link] über Shrinking Cities, über die perforierte Stadt debattierte. Siehe dazu beispielsweise: "area8020_revisited (Beiträge zur Stadtentwicklung)" [link]

Ich hab damals, 2005, einen kleinen Fragenkatalog notiert, der mir auch heute für die regionale Kultur- und Wissensarbeit nützlich scheint:
+) Was wird erzählt?
+) Wer erzählt?
+) Welche Erzählebenen sind in Wirkung?
+) Wie sind die Fragen der Definitionsmacht geregelt?
+) Was geht formell in die Öffentlichkeit, den öffentlichen Diskurs ein?
+) Was geht informell in diese Arten von Teilöffentlichkeit ein?
[Quelle]

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Später ließ ich mir solche Themen auch in Gleisdorf darlegen, etwa von Kamillo Hörner: [link] Rifkin meint mit dem Habitatproblem das Zurückbleiben von Bauten, von Infrastruktur, die nicht mehr gebraucht werde.

Polemisch verkürzt: Durch die Erste Industrielle Revolution verdichteten sich Städte und wuchsen in den Himmel, wurden vertikal. Durch die Zweite Industrielle Revolution wuchsen sie linear nach außen, bekamen üppige Vorstädte.

Man könnte sagen, der Himmel und der Horizont wurden markiert. Vor dem 19. Jahrhundert gab es auf der Welt überhabt nur eine Stadt, die mehr als eine Million Einwohner hatte. Das alte Rom bekam dann erst ab zirka 1820 einen weiteren Bezugspunkt solcher Dimension.

London wurde zur ersten neuzeitlichen Stadt mit einer Millionenbevölkerung. Das geschah vor dem Hintergrund einer damals völlig neuen Industrialisierung, befeuert von den Dampfmaschinen, die James Watt durch seine Entwicklungsarbeit in nächste Dimensionen der Leistungsfähigkeit gebracht hatte: "Der 5. Januar 1769 war ein Tag, welcher den Lauf dieser Dinge grundlegend veränderte." Siehe: [link]

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Davor waren Wasser, Wind und Pferdekraft dominante Möglichkeiten, um Dinge zu bewegen. Die Dampfmaschine kombiniert quasi Wind und Wasse, löste Pferde in weiten Bereichen ab. Das schob die Erste Industrielle Revolution an.

Die Zweite Industrielle Revolution bekam wesentliche Schubkraft durch effiziente Elektromotoren, denn dadurch konnen Fabrikshallen ganz anders bestückt werden als vorher über Wellen und Treibriemen, mit denen die Kraft von Dampfmaschinen zu den einzelnen Arbeitsplätzen übertragen wurden.

Wie ist all das auf einen Lebensraum in der Provinz herüberzudenken? Agrarische Welt, Industrie, urbanes Leben haben sich längst zu einem Konglomerat vermengt, das uns konventionelle Managements des Gemeinwesens vorzugsweise mit antiquierten Bildern bedecken, weil man in der Verwaltung offenbar annimmt, man könne der Bevölkerung keine anspruchsvolleren Bilder zumuten.

Oder es ist eventuell so, daß eine Suche nach adäquaten Bildern zur Gegenwart und deren Anwendungsmöglichkeiten eine Arbeit, eine Anstrengung bedeuten, die von vielen gescheut wird? Das würde auch den gegenwärtigen Weihnachtsrummel mit seinen abgemackerten Inszenierungen erklären, der sich -- gegen alles Räsonieren über seine Mängel -- auf die stets gleiche Art ereignet, als läge darin ein unabwendbares Schicksal.

-- [Konvergenz 2016: Pojektverlauf] --

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