19. Dezember 2015

Ich bin zur Zeit in realer Begegnung nur wenig unter Menschen. Die Balken vor dem Fenster meines Bunkers zu öffnen ist schon viel Geselligkeit. Ich könnte kaum tiefer in den Geschichten stecken, die mich bewegen. Wie merkwürdig, daß mir via Medien aktuell der Begriff "besinnlich" dauernd um die Ohren fliegt.

Sich zu besinnen, das ist ein wunderbarer Zustand. Aber so lautet ja das Adventgeschwurbel, die Einladung da draußen, nicht: Besinne Dich! Nein, die Zeit möge besinnlich sein. Und vielleicht macht das ja mit einem etwas, wenn die Zeit gerade so ist, diese Adventzeit.

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Das wäre doch fein, denn da brauche ich selbst nicht tätig werden, wenn es mir geschehen kann, mit mir geschehen kann. Ja! Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Zeit. Und einen Rutsch. Einen guten Rutsch ins nahe neue Jahr.

Wer rutscht, ausrutscht, runterrutscht, wird ja eher gerutscht als daß... Nein. Ich werde gerutscht. Sowas machen wir nicht. Und doch, es widerfährt mir, falls es sich ereignet. (Bin ich lieber Subjekt oder Objekt? Ein anderes Thema.)

Ich liebe es, mich zu besinnen. Ein kühleres Wort dafür lautet: Reflexion. Kennen Sie dieses Gefühl, wenn Wißbegier an einem rüttelt? Ja. Gefühl. Das hab ich kürzlich von einer Philosophin gehört; Gefühle seien Qualitätsurteile. (Ich weiß nicht mehr, war es Carola Meier-Seethaler oder Ursula Pia Jauch.)

Gefühle helfen uns, Situationen blitzschnell zu beurteilen, falls aus einem guten Grund Tempo in der Entscheidungsfindung gerade wichtig ist. Genau deshalb wird diese Instanz gerne diskreditiert. Wo kämen wir denn hin, wenn Dahergelaufenen einfach selbst urteilen möchten, indem sie sagen: "Ich vertraue meinem Gefühl"?

Ich habe eben erst mit großer Neugier einer Maschine bei der Arbeit zugesehen, die keine Gefühle und keine Urteilskraft kennt, aber rasend schnell große Listen von Wenn-Dann-Optionen abarbeiten kann. Hier die Geschichte zum "Roboter Robert": [link]

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Wir möchten bisher nicht annehmen, daß Maschinen ein Bewußtsein von sich selbst haben oder erwerben könnten. Geist in der Maschine? Womöglich auch Emotionen? Die Fähigkeit, sich zu besinnen? Lieben?

Ich hab das hier im Eintrag vom 14.12.2015 schon angerissen. Beziehungen mit Maschinen, sogar Liebesbeziehungen, da kommt einiges auf uns zu. Wir kennen freilich schon starke emotionale Beziehungen zu Dingen. Das wird mit dem Begriff Fetisch verbunden und ist als Thema eher in Nischen gedrängt.

Allerdings ereignen sich populäre Versionen von Fetisch-Beziehungen ganz offensichtlich vor aller Augen, ohne daß es uns heute sehr merkwürdig vorkäme. Wir finden beispielsweise kaum etwas daran, daß Menschen zu Automobilen intensive emotionale Beziehungen pflegen.

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Beim Fetisch nehmen wir freilich nicht an, daß er uns zurückliebt oder seinerseits auch begehrt. Ich denke, das eignet sich passabel zur groben Unterscheidung zwischen den Beziehungen zu Dingen, die wir schon kennen, und der Aussicht darauf, daß Dinge auf uns emotional reagieren. Einbahn oder Wechselseitigkeit der Emotionen? (Uuups! Die Frage stellt sich unter Menschen auch gelegentlich.).

Das Thema taucht immer wieder auf; nicht zu knapp in den Spielzeugwelten. Ich erinnere mich an ein Gadget, das inzwischen völlig aus meinem Blickfeld verschwunden ist.

Das Tamagotchi ist ein kurioses Spielzeug, dessen Basiskonzept davon handelt, daß man zu einem simplen digitalen Wesen eine Beziehung aufbaut und für dieses Wesen sorgt.

Wenn man es vermasselt hat, starb einem das elektronische Haustier unter der Hand. Hatte das vernachlässigte Tama die Batterie abgegeben, konnte man es beerdigen. Seinerzeit wurden dafür Friedhöfe eingerichtet.

"Im Internet gibt es den Friedhof, Tausende von Gräbern zeugen dort von wirklicher Trauer, aber auch von sadistischer Schadenfreude: 'I killed my Tamagotchi', steht da als Grabspruch."

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Davids Tamagotchi

Ich hab ein Faible für Industrieroboter. Dabei finde ich Schweißroboter besonders attraktiv, deren Arbeit natürlich spektakulär aussieht. Das ist keine Maschinen-Variante, die man umarmen möchte. Ich würde sagen, ein Blue Collar Robot.

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Tosy Roboter (Foto: CC Humanrobo)

Ich erwähne das, weil wir solche Systeme schon längst kennen. Sie sind seit vielen Jahrzehnten Teil industrieller Anlagen. Doch nur wenige von uns haben sich schon einmal aufgemacht, um das vor Ort zu sehen. Fabriken, solche Fertigungsstraßen, sind entlegen, haben hohe Zugangsschwellen.

In der Geschäftswelt, die unseren Alltag mit Gütern unterfüttert, kommen die Roboter bisher eher nicht vor; außer selbststeuernde Staubsauger und Rasenmäher. Gut, der heute preiswerte Waschvollautomat, einst so teuer wie ein Kleinwagen, gehört auch zum vertrauten Inventar und ist -- genau genommen -- ein Roboter. Aber Anlagen wie der oben gezeigte "Roboter Robert" sind definitiv Neuankömmlinge in unserem Alltag.

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