15. Dezember 2015 "Wie
kann man sich für die Zukunft nicht interessieren?" Diese rhetorische Frage
stand im Zentrum einer kleinen Plauderei im Café, die ich voriges Wochenende mit
Unternehmer Richard Mayr hatte, um auf einen kommenden Abend dieser Woche vorzubereiten.
Angelpunkt unserer Plauderei ist das neue Logistik-System
in der Gleisdorfer Stadtapotheke. Damit ist eine Technologie in der Mitte der
Gesellschaft und in der Mitte der Stadt angekommen, wie man sie bisher nur in Fabriken und
großen Lagerhäusern finden konnte.
Mayr erzählte, es hätte ihn schon vor vielen Jahren
gereizt, so ein System einzuführen. Doch unser Umgang mit Computern habe uns gelehrt, man
müsse nicht gleich die ersten Versionen einen neuen Technologie im Haus haben, die seien
meist mit einer Menge Kinderkrankheiten behaftet.
Im Oktober eine Baustelle, nun eine Adaptionsphase. Es geht
hier nicht bloß um einen Technologiesprung. Mich interessiert die spezielle Möglichkeit,
eine radikale Umbruchsituation vom Ausgangspunkt her betrachten zu können.
Der letzte größere Umbau in diesem Geschäftsraum hat aus
der langen Theke einzelne Schalter gemacht. Ab da entschied die Kundschaft selbst, wo sich
jemand einreihen wollte. Eine neue Strukturierung der Schnittstelle zwischen Personal und
Publikum.
Dazu kam für die Verkaufskräfte meist ein Gang nach
hinten, wo etwa eine Wand mit Schubladen den Großteil der Güter barg, die vorne über
den Ladentisch sollen. Dieser Gang entfällt nun überwiegend. Das heißt, die
Arbeitssituation in der Hütte wird durch den Technologiesprung völlig neu geordnet, auch
neu definiert.
Ich hab das Thema am Beispiel der Apotheke hier schon
einmal angerissen: [link] Wie verändert sich unser Leben durch Technologiesprünge? Was
bewirkt derlei an unseren Begriffen und unserem Selbstverständnis? Das sind naheliegende
Fragen, denen ich mich quasi in teilnehmender Beobachtung widme.
Für den Geschäftsmann kommt überdies die Frage dazu, wie
dafür gesorgt werden kann, daß seine Crew auch nächstes Jahr noch einen Job hat.
Jeremy Rifkin hat in seinem Buch über das Internet der
Dinge konstatiert: "Infrastruktur erfordert drei Elemente, die jeweils mit
den anderen interagieren, damit das System als Ganzes funktioniert: ein
Kommunikationsmedium, eine Energiequelle und einen logistischen Mechanismus".
Rifkin deutet Infrastruktur als eine prothetische Erweiterung zum Ausbau des
sozialen Organismus.
Halten wir fest, daß ich derzeit in der Region keine
Kunstschaffenden finde, mit denen ich mich über derlei Umbrüche und daraus reslutierende
Fragen unterhalten, auseinandersetzen könnte. Doch mit Unternehmern der Region kann ich
das sehr wohl.
Aber warum sollte ich mich als Künstler mit diesen Themen
befassen? Darum! Und überhaupt! Peter Weibel schrieb in seinem Vorwort zu "Bits
to Pieces": "Die Geschichte der Kunst ist in der Hauptsache als eine
Geschichte der Produktion gelesen worden, und zwar der Produktion Weniger für
Wenige."
Aktuell ortet Weibel eine Demokratisierung der Technik,
sieht uns in einem Zeitalter der digitalen Distribution leben. Das verändert
auch einmal mehr, was wir uns unter "Kunst" vorstellen dürfen. Es
betrifft mich als Künstler demnach radikal. Ich habe eingangs notiert: "Wie kann
man sich für die Zukunft nicht interessieren?"
Das habe ich gestern auch mit Robert Schmierdorfer
erörtert. Er ist der amtirende Bürgermeister von Albersdorf-Prebuch und
Geschäftsführer eines Gewerbeparks, in dem hauptsächlich Industriebetriebe vereint
sind, auf jeden Fall High Tech-Hütten.
Schmierdorfer war heuer mein Gegenüber, um mit Mythos
Puch II hier erstmals das Thema "Volkskultur in der technischer Welt"
auf einen relevanten Punkt zu bringen. Dabei rede ich von einem soziokulturellen
Phänomen, das es seit dem 18. Jahrhundert und der ersten Industriellen Revolution
gib.
Seit den 1950er Jahren wird diese kulturelle Gegebenheit
von der Volkskunde begleitet, beforscht und beschrieben, ist auch gegenwärtig gerade in
der Oststeiermark höchst präsent und sehr fein ausdifferenziert.
Aber herkömmliche Kulturreferate und das Feuilleton
ignorieren diesen Teil sozialen Lebens der Region als eine zeitgemäße Ausdrucksform der
Volkskultur. Während sich also hier manche Kräfte den brisanten Themen der
Gegenwart eher verweigern und bloß noch auf Repräsentation setzen, läßt sich da
fragen, suchen, arbeiten, um sich auf die Höhe der Zeit zuzubewegen.
Davon wird 2016 auch Mythos Puch III handeln. Für
die Energieregion Weiz-Gleisdorf ein naheliegender Ansatz, denn die hier betonten
Hauptthemen sind Energie-Autarkie und Mobilität.
Auf unser aller Weg in die nun Vierte Industrielle
Revolution wird uns in vielen Bereichen ein völliges Umdenken abverlangt, weil wir
derzeit Technologiesprünge machen, aus denen sich eine grundlegende Neudeutung dessen
ableitet, was wir unter "Arbeit" verstehen.
Zu diesen radikalen Umbrüchen in der Arbeitswelt, die, wie
am Beispiel der Stadtapotheke angedeutet, nun in der Mitte der Gesellschaft
angekommen sind, kommt ein sich neu formierendes Verhältnis zwischen Wissenschaft und
Kunst, das Peter Weibel Renaissance 2.0 nennt. Da brauchen wir auf nichts zu
warten, das geschieht alles schon...
-- [In der Ebene] [Mythos Puch III] -- |