30. November 2015 Ich
kann auf Facebook meine Präsenz privat schalten und dann nur von meinen "Friends"
gelesen werden. Ein kleines Netzwerk, eine private Plattform. Telepräsenz für Netizens.
Oder ich halte mein Präsenz offen, was bei mir selbst
zutrifft. Wer immer auf Facebook umgeht, kann meine Beiträge sehen, lesen. In
diesem Fall ist von einem Massenmedium zu reden.
Da es "Die Öffentlichkeit" nicht gibt,
sondern bloß eine wechselhafte Menge an Teilöffentlichkeiten, ist alles, was auf Facebook
beliebig gelesen werden kann, Teil eines öffentlichen Diskurses. Es generiert "Öffentlichkeit".
Hauptsache, ich hab das Problem
nicht ;-)
Ich wurde eben aus dem Rathaus ersucht, hier einen
Debattenbeitrag vom Netz zu nehmen, weil er die Aussagen eines Menschen kommentiert hat,
dessen persönliche Probleme offenbar ärztlicher Schweigepflicht unterliegen. Die
Geschichte sei so akut, daß mein Kommentar die Sache ernsthaft verschlimmern könnte.
Ich kann dieses Anliegen nicht ignorieren, spüre zugleich
erheblichen Widerstände, publizierte Texte zu löschen. Nun also: Die Löschung XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Aber die Themen sind nicht vom Tisch. Laufend wird uns quer
durchs Land von einer "moslemischen Invasion" geredet, der übliche
Vorwand lautet "Mir geht es um Österreich und unser Europa!".
In all dem immer auch die gängigen Details, an denen man
erkennen kann, daß jemand sich bisher offenbar eher gar nicht um "unsere
Kultur", "unser Europa" geschert hat; und sei es nur, daß jemand den "Deppen-Apostrophen"
zelebriert, wie er auch zahllose Firmenschilder und Zeitungsannoncen schmückt: "Ein
besorgter Bürger Steiermark's, Österreich's, Europa's und Gleisdorf's!"
Weltekel, Häme, Abschätzigkeit, Menschenverachtung. Warum
haben so düstere Seiten von Menschen wohl gerade jetzt Hochkonjunktur, da in diesem
reichen, gut bestellten Land Elende anbranden, die aus schrecklichen Verhältnissen
entfliehen konnten?
(Quelle: Der Standard)
Hans Rauscher notierte am 26. November: "Die Zahl
der rechtsextremen, fremdenfeindlich und rassistisch motivierten Straftaten hat sich in
den ersten drei Quartalen des Jahres verfünffacht." So der österreichische
Verfassungsschutz. (Quelle: Der Standard)
Die Wegbereiter und Wasserträger solcher Entwicklungen
sind Polemiker, welche ihre irrationalen Ausritte nicht mehr auf Wirtshaustische
beschränken, sondern sie via Massenmedien promoten. Das macht einen qualitativen und
quantitativen Unterschied gegenüber vergangenen Jahrzehnten.
Dieser freie Zugang zu Massenmedien bei gleichzeitiger
Ignoranz bestehender Regeln hat uns ein Klima beschert, in dem sich jene bestätigt
fühlen, denen Menschenverachtung kein Problem verursacht, wenn sie sich gerade an anderen
abarbeiten möchten.
Nun bin ich nicht für eine Einschränkung der
Medienzugänge, sondern für verstärkte Bemühungen, die nötigen Medienkompetenzen zu
verbreiten. Hier sollten Kultur und Politik zusammenfinden. Wir sind mit unseren
Vorstellungen von Staat, Volk und der Welt noch nicht in der Gegenwart angekommen.
Unsere Identität? Unsere Kultur?
Viele Menschen verweigern sich der Klarheit, daß wir heute
nicht bloß Bewohner einer wirtschaftlich globalisierten Welt sind, sondern auch ethisch
Teil einer Völkergemeinschaft, worin sich Menschen einander verpflichtet haben.
Genau dieser ethischen Festlegung, wie sie etwa in der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte ausgedrückt wurde, verdanken wir sehr wesentlich jenen
Frieden und Wohlstand, den wir seit Jahrzehnten ungebrochen genießen dürfen.
Was Anhänger der Abschottung des Landes lieber nicht
verstehen wollen: Wer sich diesen Verpflichtungen entzieht, auch wenn sie mit den Mühen
verbunden sind, die uns gerade zukommen, verspielt die Vorteile und Annehmlichkeiten, an
die wir uns gewöhnt haben.
Das bedeutet ferner, wer dieser Anstrengungen scheut,
meidet, zurückweist, gefährdet genau das, was allerhand Schreihälse derzeit schützen
wünschen. In dieser globalisierten Welt erreicht uns jeder Konflikt auf jede erdenkliche
Art. Es ist längst unmöglich, bloß in einer Nische Sicherheit und Wohlstand zu
garantieren, womöglich um den Preis, daß deren Umgebung im Elend sei.
Wir haben darüber zu reden, auf welche neue Art die
Zivilgesellschaft heute gefordert ist; massiv gefordert, für das Gemeinwesen
Verantwortung zu übernehmen, im Denken wie im Tun. Wir haben aber auch zu klären, wie
unser aller Zuständigkeit beschaffen sei, die weltweite Völkergemeinschaft zu
stabilisieren.
Was uns zahlreiche Polemiker demonstrieren, ist die
Ratlosigkeit eines verwöhnten Untertanen, der noch nicht verstanden hat, was eine
zeitgemäße Demokratie bedeutet und verlangt. So bequem werden wir nicht erhalten
können, was uns angenehm ist. Es gilt nach wie vor: Freiheit macht Arbeit.
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