20. November 2015

Wenn Techniker Horst Fickel, ein erfahrener Skipper, während einer Regatta das Sturmsegeln angeht, kommt es zum Beispiel so: "Ich hab etwa fünf Meter Sicht. Da segle ich blind. Ich kann mich nur auf die Segel über mir konzentrieren. Hab ich Wind im Segel, dann hab ich das Boot unter Kontrolle."

Oder es geht darum, mit dem Boot eine Welle zu reiten. Dann hat er zu wenig Strömung am Ruder, weshalb sich die Fuhre in solchen Momenten nicht steuern läßt. Für diesen Fall muß er das Boot schon vorher passend ausgerichtet haben, damit sich die nötigen Manöver sofort einleiten lassen, wenn die Yacht wieder wie gewohnt reagiert.

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Da reden wir noch nicht von Erfrischungen wie etwa einem Fracht-Container, der knapp unter der Wasseroberfläche treibt. Daß hieße, mehrere Tonnen der Yacht gehen plötzlich von x Knoten Fahrt auf Null. Derlei hebt den Adrenalinspiegel, daß es eine Freude ist.

Ähnlich aufmunternd ist ein Flug in die Fangleine (bei schwerem Wetter ist man auf Deck angeleint), wenn einem bei ausreichendem Tempo die Bugpartie völlig unter Wasser geht und das Boot mit dem Heck hochkommt wie eine Speerschleuder. Auch dafür wünscht man sich eine eher kurze Fangleine, damit der eigene Sturz überschaubare Grenzen hat.

Dazu gehört, daß man jederzeit gewahr sein muß, der Baum könnte einem den Kopf von den Schultern schlagen. "Aber das spürst du dann nimmer", meint Fickel. Ich kann mir solche Geschichten über Stunden hinweg anhören, habe vermutlich alle verfügbaren Hornblower- Romane gelesen und sehe mir einschlägige Filme immer wieder an.

Weshalb hier davon erzählen? Fickel ist eine der Schlüsselpersonen im aktuellen Arbeitsschub zum Thema KWW = Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft. Er war übrigens vom Anfang an dabei, was nun schon Jahre zurückliegt; wir hatten die erste Session 2011: [link]

Wir debattieren da Optionen, wie man sich in interdisziplinärer Zusammenarbeit die Rollen und Kompetenzen von anderen Feldern wechselseitig zur Verfügung stellen kann. Dabei sind auch Metaphern nützlich. Das Sturmsegeln ist mir eine sehr ergiebige Metapher.

Training, praktische Erfahrung, Intuition und Vorausschau sollten zusammenkommen, um durch schweres Wetter fahren zu können. Eine romantische Skizze unternehmerischer Fertigkeiten? Was mögen solche Bilder für die Praxis bedeuten? Ich habe einen Aspekt hier unerwähnt gelassen, obwohl ich vermute, daß er ein Angelpunkt nützlicher Fähigkeiten ist. Die Unerschrockenheit.

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Unternehmer Horst Fickel (links) und Regionalentwickler Gerald Gigler
bei unserer Synergie-Konferenz in der "Kanzley"

Völlig egal, welche Art von Krise durchlaufen werden muß, es treibt bloß das Risiko in die Höhe, wenn man dabei den Kopf verliert. Eine Faustregel besagt, man solle keine gute Krise vergeuden. Woher mag diese Vorstellung kommen?

Aus der Antike haben wir die Annahme erhalten, ohne Krisis sei keine Katharsis zu erlangen, also eine Läuterung der Seele. Es bliebe demnach völlig unsinnig, sich gegen Umbrüche zu stemmen. Das kann bloß mögliche Schäden vergrößern oder im günstigsten Fall dazu führen, daß man vom Lauf der Dinge vergessen wird.

Zurück zu den Metaphern. Eine Welle oder gar eine Lawine reiten, wahlweise von ihr weggerissen werden. Das sind natürlich markige Bilder. Ich möchte vermutlich auch nicht gerade an Bord sein, wenn Fickel den Rand eines Tornados ansteuert, um der Yacht auf die Art einen Beschleunigungsschub zu verpassen. "Da scheißen sich die Jungen an", sagt er augenzwinkernd, "das kann auch nicht jeder". Na, darauf wette ich!

Unsere Vorhaben im KKW-Sinn haben also eine Reihe von Kompetenzen zur Voraussetzung, denn in diesem System gibt es keine Trittbretter, auf die sich jemand schwingen könnte. Das ist ein interessanter Modus.

-- [Die Synergie-Konferenz] [Das 2015er Kunstsymposion: Dokumentation] --

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