7. September 2015 Nicht bloß die Tage, die Wochen verfliegen mir. Doch es sind noch einige
Notizen zum Auftakt unseres 2015er Kunstsymposions anzubringen. Ich bin
inzwischen schon sicher, daß das eine Konzeption ist, an der ich einige Zeit festhalten
werde. Auch wenn es für ein Publikum schwierig bleibt, das als zusammenhängend
wahrzunehmen. Vermutlich wird es sich zukünftig über eine angemessene Kommunikation nach
außen besser darstellen lassen. Vorerst haben aber Kommunikation und Erfahrungen im
Inneren Vorrang.
Raumüberwindung. Ich hätte
das an mir selbst nicht besser greifbar machen können, als auf Heimos Maschine
die vielen Stunden nach Süden zu fahren; ohne jeden Komfort und nur sich anbrüllend im
Gespräch, weil der Brocken so laut ist.
Als wir Kroatien verließen, rechnete ich damit, daß der Lastwagen durchsucht werden
würde. Nichts dergleichen. Vielleicht fand der kroatische Grenzer die Vorstellung
amüsant, wir könnten Muslime nach Serbien schmuggeln. Das schien aber auch den
serbischen Grenzern keinen Gedanken wert und wir wurden durchgewunken. So blieben noch
etwa zweieinhalb Stunden, um das Donauufer zu erreichen.
Es war nicht die Pose des klassischen
Desperados, in den Sonnenuntergang zu reiten. Wir kamen aus dem Sonnenuntergang heraus.
Ich konnte zusehen, wie der Schatten des 680ers vor uns immer länger wurde.
Zuerst noch mit einer sauberen Silhouette der Kabine, schließlich mit den Konturen eines
freundlichen Monsters.
Die ersten Drinks kamen aus dem
Kühlschrank an Bord. Selman hatte uns schon erwartet, Stevan für unser Kommen alles
bereitet. Ich war nicht das erste Mal im Dunavski Pirat". Mit der Maschine
war das diesmal eine Tagesreise geworden. Das stand exemplarisch für den Weg, den wir
heuer betont, hervorgehoben hatten. Weder das Event noch der mögliche Wow-Effekt
bekamen Vorrang zugestanden. Es zählte das Prozeßhafte und die individuelle Anstrengung.
Links Selman Trtovac, rechts Heimo
Müller
Genau diese Prioritätenwahl hatten zu jenem
Bruch beigetragen, der heuer zwischen mir und der lokalen Kulturverwaltung offenkundig
geworden war. Es schien mir nicht gelungen zu sein, Event und Wow-Effekt
auf der Prioritätenliste hinter die inhaltliche Arbeit und die
Umsetzungsprozesse zu kriegen.
Inzwischen kristallisiert
sich klar heraus, wie machbar so ein Weg ist. Der Angelpunkt wurde deutlich sichtbar: Kooperation.
Die Zusammenarbeit sehr verschiedener Kräfte, die höchst unterschiedliche Zugänge und
Modi bevorzugen, führt zu einem Kräftespiel der Inhalte und Ereignisse, von dem ich
derzeit verblüfft werde.
Aber zurück zur Ankunft beim
Dunavski Pirat", Restoran i Konak, also Speiselokal und
Herberge. Wir hatten dort mit einer Crew der "Kollektiven Aktionen" [link]
einen Kontrakt geschlossen und diesen an den Regisseur Veljko Pavlovic übergeben, der uns
allerdings inzwischen verlassen hat; siehe: "Veliki San" [link]
2010 im "Dunavski Pirat",
von links: Selman Trtovac,
Mirjana Peitler-Selakov und Veljko Pavlovic
Ich muß daran erinnern, daß die Kunstpraxis,
für die wir uns einsetzen, einen Bezugsrahmen in der Kultur- und Wissensarbeit hat.
Spätestens da bezieht sich dann selbst das Hermetische in der Kunst auf eine ganze
Gesellschaft.
Das Event ist dabei so nachrangig wie
der Wow-Effekt. Die Denkprozesse und das Handeln sollen zu Erfahrungen führen.
Ich brauche eine Politik und eine Verwaltung, in der wenigstens einige Leute begreifen,
wovon hier die Rede ist. Ansonsten wird letztlich auch Politik bloß noch durch Mythenbildung
ersetzt. Das aber ist der Modus der Tyrannis. Mythos statt Logos. Dann wäre
niemand mehr sicher. Wir haben gute Gründe, solche Entwicklungen zu vermeiden...
-- [Das Kunstsymposion]
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