5. September 2015

Da ist nun das herbstliche Wetter. Der Regen zeigt Ausdauer. Kein Einwand. Die Stille dringt von der Stadt herein. Als gestern die Vernissage mit den Arbeiten der kosovarischen Leute über die Bühne ging, sprach mich einer der lokalen Maler auf unseren Round Table [link] an.

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Es sei sprachlich schwierig gewesen, habe er gehört. Man müßt ihn untersuchen, ob er sich hellseherische Fähigkeiten eingefangen hat. Niemand von uns spricht Albanisch. Einige in der Runde sprechen gut, andere kaum Englisch. Einige sprechen Deutsch. Ja, was wird das also gewesen sein? Genau! Sprachlich lief es etwas holpernd. Fordernd. Das ist aber Teil der Geschichte, um Grenzen real zu überschreiten.

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Für Stunden hatten wir einen gemeinsam bewohnbaren Möglichkeitsraum. Dabei ging es genau darum, das Gewohnte Aufzubrechen, den Fluß des Vertrauten stocken zu lassen. Wozu sonst der ganze Aufwand? Doch nicht etwa, auf daß wir uns in der gelingenden Sonderleistung kultureller Inszenierung des Gemeinwesens selbst feiern?

Aber an diesen Spielarten der sozialen Selbstvergewisserung kann nicht gerüttelt werden. Ich hörte einen Politiker von Völkerverständigung reden und was sonst noch alles die Kultur angeblich leiste, daß durch die Kultur, das Wundermittel Kultur, selbst Sprachbarrieren fallen würden. Das trifft alles so überhaupt nicht zu. Wie komfortabel, wenn es so einfach wäre.

Machen wir es überschaubar: Die Kultur tut nichts. Gar nichts. Die Kultur ist der schon erwähnte Möglichkeitsraum, den wir gemeinsam betreten können. Dort muß gehandelt werden, wie auch gedacht werden muß; im Irrtum wie im Gelingen gleichermaßen.

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Einige haben das in der Reihen der Politik bei uns schon verstanden, andere gehen sorglos auf dieses Terrain und erzählen uns, die wir da denken und handeln, im Irrtum wie im Gelingen, erzählen uns mit völlig unpassenden Worten, was das sei.

Es ist nicht akzeptabel, daß ein Funktionstragender sich vor das Publikum eines vollen Hauses stellt und Stuß redet. Es ist aber auch nicht verhandelbar. Ich bleibe in dieser Sache vorerst ratlos. Vermutlich ist es so, wie schon zu Zeiten des klugen Immanuel Kant, der sich für eine Buchpublikation artig vor seinem Fürsten verneigen mußte. Diese Verneigerei bleibt bestandteil des Kulturberiebes. (Auch gut!)

Es dürfte sich an derlei Verhältnissen seit Kant nur wenig geändert haben. Ich sage nicht nichts. Es hat sich wenig geändert. Ich verrate Ihnen, was ein verläßlicher Schlüsselsatz ist, um Schnöselreden zu erkennen. Solche Sätze beginnen etwa mit: "In Zeiten wie diesen..."

Wenn einer das sagt, "In Zeiten wie diesen...", müßte allen klar sein, daß gerade Politik- Karaoke erklingt. Es lohnt das Zuhören nicht, aber die Inszenierung spult sich beharrlich weiter ab.

Die Empfehlung für Funktionstragende muß lauten, eine kurze Rede zu halten, die ihr Ansehen mehrt, ohne das Publikum zu langweilen. Das ist die Anforderung. Hier ein Beispiel, worauf bei so einer Rede geachtet werden könnte:

Sprechen Sie vor Publikum nicht über Dinge, von denen Sie nichts verstehen. Falls Sie geistreich sind, zeigen Sie Esprit! Das macht sogar mangelnde Sachkenntnis vergessen. Falls Ihnen beides knapp ist, Sachkenntnis und Esprit, zeigen Sie Klasse! Das geht etwa, indem Sie offen sagen: Meine Lieben, ich will Ihnen diese Materie nicht zu erklären versuchen, denn dazu fehlen mir die Mittel, aber ich versichere Euch, daß ich derlei mit Neugier und Wertschätzung begleite. Daher werde ich mich auch weiter dafür engagieren, daß es für die Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz Budgets gibt, mit denen interessante Projekte kofinanziert werden können. Lassen Sie mich nun an Ihre Seite treten, mich zu einem gut gelaunten Publikum gesellen, als dessen Teil ich mich betrachte. Machen wir uns einen schönen Abend!

-- [Das Kunstsymposion] --

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