3. September 2015Die Hitze ist wieder gebrochen. Ich hatte das schon während unserer
Beograd-Session gehabt. Als ich mit Künstler Milan Bosnic nach Rajacke Pimnice
aufgebrochen war, ließ ich meine Regenjacke im Dunavski Pirat zurück, denn es
waren glühende Sommertage.
Zeljko Tomic in Rajacke Pimnice
Ich brauche diese Regenjacke so selten. Daß sie mir schon
einige Stunden später fehlen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Da muß
eine Bergkette gelegen haben, offenkundig von Regenwolken verhüllt, denn anders ist nicht
erklärlich, daß man plötzlich einen Landstrich durchfährt, in dem ausdauernd Herbst
herrscht, wo doch eben noch Sommerhitze alles belegt hatte.
In jenem Dorf des Weinbaus und der zahllosen Gräber hat es
also zäh geregnet und ich war nicht einmal mit einer gewöhnlichen Jacke ausgerüstet.
Eine ausgemachte Touristen-Torheit, ohne Kenntnis einer Region mit den falschen Annahmen
loszuziehen.
Falschen Annahmen. Inzwischen bin ich ja
längst von der Balkan-Tour heimgekehrt. Seit gestern ist auch Heimo zurück. Er hatte mit
der Maschine noch unsere Montenegro-Session realisiert. Ich hab derweil die nächste
große Station des heurigen Kunstsymposions auf die Schiene zu stellen, Mythos Puch:
[link] Inzwischen sind die Kunstschaffenden aus dem Kosovo da, die Karl
Bauer eingeladen hat, auf daß sie hier eine Ausstellung erarbeiten. Dem haben sich lokale
Leute mit einer Mal-Session zugesellt. |
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Das hat mir gezeigt, wie
unterschiedlich wir Menschen das Wort "Austausch" deuten können. Sich mit
jemandem auszutauschen wäre ja eine Möglichkeit, kurz von sich selbst abzusehen und das
Interesse dem Gegenüber zuzuwenden.
Da war dann der Abend, als wir Tische in den
Hof hinter dem Rathaus trugen. Endlich dämmerte es nach einem sehr heißen Tag. Ich hatte
eine Flasche vom Gelben Muskateller mitgebracht, Karl brachte eine Wagenladung voll guter
Dinge, um damit die Tafel zu decken.
Die Tische bogen sich schon, die Gleisdorfer
Leute waren heraußen, die kosovarischen Leute hatten offenbar noch einiges zu erledigen
und fehlten vorerst. Eine der einheimischen Personen kaute mit vollen Backen, umkreiste
dabei die Tische, um sich an den Wohltaten zu bedienen. Eine andere Person äußerte
Unmut, daß noch nicht alle versammelt waren, und meinte, nun mit dem Essen zu beginnen.
Das kannst du nicht machen, wandte ich ein.
Auf dem Balkan ist sowas undenkbar. Kein Gastgeber würde sich den Mund vollstopfen, bevor
der Gast Gelegenheit hatte, sich von den besten Stücken etwas zu nehmen.
Aber meine Landsleute waren mehrheitlich nicht
geneigt, es ebenso zu halten. Was für ein verwöhntes, selbstbezogenes Gesindel. Da ist
mir dann schon klar, warum viele hier von neuen Grenzzäunen träumen. Es gelingt manchen
nicht einmal simple Gastfreundschaft, in der man für Augenblicke üben könnte, das
eigene Begehren hinter das anderer Menschen zu reihen.
Diese Leute hatten dann auch mit den Gästen
nichts zu reden, verließen die Runde mit dem Hinweis, daß Malen eben müde mache. Die
Kulturveranstaltung als Service-Station, um sich sein Hiersein aufzufetten. Ein Stück der
regionalen Realität, über das sich nicht hinwegsehen läßt.
Von Links: Salja Tahiraj, Eva
Lassnig und Naim Spahiu
Heute werden wir mit den kosovarischen Leuten
einen Round Table [link]
absolvieren, wo es genau darum geht, was ihre Angelegenheiten seien. Es ist ja
definitiv ein Failed State, vom Krieg ruiniert, schon vorher in diesem nie
gelösten Nord-Süd-Gefälle Europas schwach gestellt.
Ungünstige Zeiten für die Menschen des
Balkans, wo so viele Kriegsflüchtlinge nach Europa drängen. Das wird den wohlhabenden
Norden kaum bewegen, an diesem alten Nord-Süd-Gefälle zu arbeiten. Was also bleibt uns
in der Verständigung und möglichen Kooperation zu tun?
Auf jeden Fall nicht diese herrische
Attitüde, den Gästen das Beste von der Platte zu fressen, bevor die überhaupt zu Tisch
gekommen sind. Siehe dazu auch: "Kultur kurios: Hier ist die Welt" [link]
-- [Das Kunstsymposion]
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