26. August 2015

Kategorien! Eine Massengesellschaft bleibt intensiv auf Kategorien und deren Kenntnis angewiesen, auf die Einhaltung der Regeln, die an solche Kategorien gebunden sind. Zum Glück bekommen wir das im Alltag meist wenig zu spüren. Dies ist freilich eine Zeit der Unruhe in Europa. Da wächst eine Umtriebigkeit im Regelgeschäft, die mir deutlich macht, daß unsere angenehmsten Jahre endgültig vorbei sind.

In polemischer Verkürzung ließe sich sagen, daß derzeit selbst die größten Nieten Regeln proklamieren und deren Einhaltung mit weiten Gesten fordern; allerdings für andere, denen sie einen Aufenthalt in unserer Komfortzone nicht gönnen.

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Selbst der letzte Depp spürt nun, daß wir unsere Komfortzone nicht abschotten können, um vor den Mauern und Toren den Mangel zur Not werden zu lassen. Sogar jede triviale Filmvariante einer „Zombie-Apokalypse" spielt solche Motive durch. Wir haben uns das alles schon erzählt, sehen es uns aber lieber verklausuliert im TV an.

Wir haben es weltumspannend in unsere Vorabende gestanzt, von „The Walking Dead" bis „Falling Skies". Wenn wir also unser 2015er Kunstsymposion ausgerechnet in Serbien eröffnet haben, dann ist das auch ein Hinweis darauf, daß wir in dieser Mauer, die etwa im zunehmend antisemitischen und fremdenfeindlichen Ungarn gerade physische Realität geworden ist, mindestens ein Fenster offen halten, durch das Gespräche geführt und Dinge gereicht werden können.

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Quelle: Kleine Zeitung

Wie zur Bekräftigung meiner Annahmen über solche Zusammenhänge hat Norbert Mappes- Niediek, ein brillanter Publizist, am 24. August in der Kleinen Zeitung per Leitartikel dargelegt, daß hier sogar staatstragende Kräfte an einem Täuschungsmanöver von enormer Chuzpe mitwirken. Er schreibt: „Die Balkanländer sollen der Europäischen Union nicht wirklich beitreten, aber die Völker dort unten sollen bitte fest daran glauben."

Nun haben wir aber nicht ausgemacht, das, genau das sei unser Europa, in dem das alte Nord-Süd-Gefälle erneut befestigt und notfalls mit Waffen verteidigt würde. So handelt eine Conquista, aber keine Regierung mit dem Anspruch an „Europäischen Werten", wie uns das vorgebetet wird, auf daß wir einem Grüppchen von Menschen gute Posten legitimieren.

Aber ich schweife ab; oder aber hab nun ohnehin ein thematisches Zentrum erreicht, das hinter all unseren Anstrengungen schimmert. Kategorien und deren Kenntnis, die Einhaltung der Regeln, das vermag einem der Alltag dann ja doch gelegentlich deutlich zu machen.

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Innerhalb der EU fährt man sorgenfrei. Als wir die Grenze zu Kroatien erreichten, waren wir uneins, in welche Kolonne unser Lastwagen gestellt werden müsse. Unsere Kompromiß-Idee besagte: LKW mit einem Fahrer und einem Fahrgast, keine kommerzielle Fracht, also Autobus.

Die Polizeikabine stand auf meiner Seite, das Fenster war so tief unter mir, daß ich die Pässe nicht hinunterreichen konnte. Also stieg ich aus, was sich als Fehler erwies. Eine robuste Polizistin, deren strenger Tonfall nur noch von der Strenge ihrer Frisur überboten wurde, fuhr aus der Kiste, baute sich vor mir auf, stauchte mich auf eins-zehn zusammen.

Es sei in diesen gefährlichen Zeiten nicht erlaubt, beim Grnzposten auszusteigen, sie wisse ja nicht, was auf sie zukomme, wo IS und alles mögliche herumlaufe. Und warum überhaupt stünden wir in dieser Spur? „Sind sie ein Autobus? Nein. Sind sie ein PKW? Nein. Was sind sie? Sie wissen es nicht."

Wer kam bloß auf die Idee, den slowenischen Leuten anzuheften, sie seien die Preußen des Balkans? Jedenfalls äußerte Heimo grinsend den Eindruck, wir hätten unmittelbar davor gestanden, unsere Telefonnummern auszutauschen.

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Nun, wo ich nach diesen intensiven Tagen wieder zuhause hocke, um das Kunstsymposion in die nächste Ebene zu hieven, da ich mich umsehe, was sich sonst so tut, fällt mir auf, daß ein großer Teil regionalen Kunstgeschehens individueller Selbstrepräsentation gewidmet ist; mit einem Schuß Party Time.

Das kann nicht angefochten werden, denn es muß den Kunstschaffenden völlig freistehen, zu entscheiden, welchen Themen sie sich widmen und wie sie das umsetzen. Aber es trennt mich von vielen Leuten im Kulturbetrieb.

Ich sehe mich nicht in der Lage, das neu bekränzte Nord-Südgefälle mit ihnen gemeinsam zu dekorieren. Wir haben energischen Klärungsbedarf, wohin wir mit all unseren Mitteln und Möglichkeiten gelangen mögen. Es gibt nun keine Ausflüchte mehr, um eigene Talente für dieses oder jenes Europa einzusetzen...

+) Norbert Mappes-Niediek: Die Wiener Balkan-Konferenz ist nur Dekoration

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