16. Juni 2015 Weit
über 20 Jahre lag nun ein konventionell geformtes Gemüsemesser aus sehr gutem Stahl in
meinem Zentrum einschlägiger Aufgaben. Weil ich mit mäßigem handwerklichen Geschick
versehen bin, lege ich Wert auf gutes Werkzeug.
Für gröbere Arbeit muß vor allem die Klinge des großen
Messers breit genug sein, damit meine Fingerknöchel um den Griff frei bleiben, wenn ich
am Brett angelangt bin. Beim kleinen Gemüsemesser ist es mir wichtiger, daß es gut
ausbalanciert ist und mühelos in der Hand liegt.
Man möchte annehmen, Männer und Messer, das sei eine
besondere Geschichte. Ich denke, es ist grundlegender. Werfen, schlagen, schneiden. Ich
vermute darin grundlegende Werkzeuganwendungen, die wir uns als Spezies in eben dieser
Reihenfolge erworben haben.
Der weite Weg von den Steinklingen zu Keramik. Ich hab mir
die neuen Messer über Jahre nur angesehen. Zirconia läßt viele Färbungen zu.
Ich hab mich nun für eine weiße Klinge entschieden. Ein unspektakuläres Werkzeug.
Das eigentlich Verblüffende entfaltet sich auf Anhieb in
der Hand, die an eine Gewichtigkeit der stählernen Version gewöhnt ist, und nun dieses
vergleichsweise federleichte Werkzeug fast wie ein Nichts führt.
Das ist ein feiner Kontrast, an dem ich derzeit Freude hab.
Wenn auch das Schneiden von Zwiebeln angenehm flott erledigt ist und das Schneiden vom
Tomaten mühelos gelingt, erweist sich vor allem das Schneiden von Zitronen als etwas, das
fühlbare Eleganz hat.
Eine andere Art Kategoriensprung, einen Vorboten, hatte ich
dieser Tage auf einer meiner Touren entdeckt. Solche Elektrokarren der Jenbacher Werke
waren in meinen Kindertagen Standard auf Bahnhöfen und fuhren einem da zügig um die
Ohren.
Dieses Fahrzeug ist hier als Imbiß-Stand aufgestellt. Ein
Plakat auf der anderen Seite hat Beuschelsuppe angepriesen. Nicht
auszuschließen, daß der Karren mit neuen Batterien versehen und immer noch fahrbereit
ist.
Bei näherem Hinsehen erzählen all diese Dinge immer
gleich Geschichten. Eine der Armaturen dieses Karrens zeigt den Luftdruck im Bremssystem
an. Das Vehikel dürfte also fahrtüchtig sein. Wabco ist ein alter Betrieb des
Erfinders von Luftdruckbremsen, George Westinghouse.
Der war außerdem Investor von Nikola Tesla, von
dem die halbe Welt elektrifiziert wurde. Sie hatten die Wechselstrom-Technologie gegen Edison
durchgesetzt. Man findet im Alltag eine Menge an Kleinkram, der mit größeren Geschichten
verzahnt ist.
Ich sehe mich stets zwischen antiquierten und zeitgemäßen
Technologieformen hin- und hergerissen. Es muß ja nicht so fordernd daherkommen, wie etwa
dieses alte BMW-Gespann, das bestimmt mit energischem Körpereinsatz auf der Straße
gehalten werden muß. Das Eigentliche sind ja die Geschichten, die sich in unseren
Gebrauchsgegenständen manifestieren, in den Formen ausdrücken, in den Zusammenhängen
zeigen... |