1. Juni 2015 Ich war
draußen, bevor der Regen kam. Auf den Feldern hockte ein merkwürdig milder Vorsommer.
Ich stehe der Natur ohne große Emotionen und doch oft gebannt gegenüber. Vor Jahren habe
ich gelesen, wie unendlich lange es brauchte, um aus vielen Gegenden Gräser
zusammenzutragen, diese zu kreuzen und mit Geduld voranzubringen, bis daraus Getreide
wurde.
Es fliegen noch Erzählungen herum, wie groß die Mühe
war, genug davon in die Speicher zu bekommen, damit eine ganze Familie durchs Jahr kam.
Dazu fallen mir die Worte einer alten Bäuerin ein. Wer sich nicht geschunden hat, der
hatte nichts zu essen.
Wovon also dieses Bild handelt? Zum Beispiel von einem
bescheidenen Hinweis darauf, wie viel Zeit eines langen Tages früher dafür genutzt
werden mußte, im im Jahreslauf keinen Mangel zu leiden, Not schon gar nicht.
Mir ist das auf der heutigen Runde noch an einem anderen
Motiv deutlich geworden, das mich überrascht hat, weil darin eine Dimension des Zugriffs
deutlich wird, die mir nicht klar war. Wie viele Mahder mußten einst in der Früh hinaus,
um in einem Durchgang so eine Schneise auf die Wiese zu legen? Es ist fast die Breite
einer Autobahnseite.
Ich hab den CVT 6225 am Wiesenrand gesehen, wie er
seine Peripherie ausklappt. Der turbogeladene Sechszyliner frißt mit seinem Pöttinger
Mähwerk so eine Spur in einem Durchgang. Wäre nun, betriebswirtschaftlich gedacht, die
Frage, wie viel Hektar Grund ein Bauer zur Verfügung haben müßte, damit der Ertrag die
Familie satt macht und zugleich solche Maschinen finanziert.
Gebraucht schon gesehen für 70.000,- bis 89.000,- Euro.
Naja, man bekommt dafür noch kein Haus, an dem man sich erfreuen könnte. Außerdem
wären noch eine Fronthydraulik und das Mähwerk anzuschaffen und, und... Ich hab mir
gestern einen alten Cadillac angeschaut, der würde, wenn er auf dem Markt käme,
gut das Zweieinhalbfache kosten.
Gebrauchswert, Tauschwert, Marktwert, wie knifflig sich
doch unsere Angelegenheiten ordnen. Beim Denken geht es mir wie einem Rudel antiker
Griechen. Wenn alles klemmt, hilft nur noch das Gehen.
Mir ist in diesem Jahr recht viel von meinem Leben um die
Ohren geflogen. Was für eine anregende Situation! Nun wollen die Dinge neu gedacht, neu
geordnet, neu bemessen werden. Das Taxieren ist immer besonders spannend, denn Geld, als
ein brisantes Medium, wirft stets die gleichen Fragen neu auf. Was kann ich in Geld
konvertieren? In was möchte ich Geld konvertieren?
Aber Geld ist nur eine leere Geste, wenn kein bewegendes
Konzept im Deal steckt. Wollte man mich in leere Gesten verstricken, ich könnte sofort in
Tiefschlaf fallen und dabei störende Geräusche von mir geben.
Ginge es nur darum, Geschäftssinn zu entwickeln, ich
hätte leichtes Gedankenspiel, aber da sind ja auch die Verwaltungsfragen. Oder. Ich habe
heute gerade eine sehr gefaßten Brief an die Sozalversicherungsanstalt geschrieben.
Ich war beeindruckt, daß die mir eine Liste schicken
konnten, was ich Jahr für Jahr verdient habe; nicht eingenommen, umgesetzt, sondern
verdient. Mir war das in den letzten Jahren nie zu klären gelungen, denn all die
Nachzahlungen, Vorauszahlungen und Rückzahlungen, wie sie beim Finanzamt anfallen, haben
jeweils Auswirkungen auf die Sozialversicherung. Wie schaffen die es bloß, den Überblick
zu behalten?
Dann kam ich zwischen den Feldern um eine Ecke und dachte
mir: Der Gaul will mich verschaukeln! Steht da in einem Zebra-Kostüm auf der Wiese. Wer
denkt sich bloß sowas aus? Schon war meine Buchhaltung wieder vergessen.
Das macht zumindest klar, dieser Abend gehört dem
Blauburgunder. Seriöse Arbeit ist für die nächsten Stunden nicht mehr möglich. |