13. Mai 2015 Auch wenn
die vorigen zwei Einträge zum Auftakt Lamborghinis zeigten, es sind nicht bloß
Exoten und schon gar nicht PS-Giganten, die mein vorrangiges Interesse binden. Im
Gegenteil. So habe ich jüngst unmittelbar vor dem erwähnten "Landes-Amtshaus"
in Graz einen besonderen Fund machen können, der den Uninteressierten gewiß überhaupt
nicht aufgefallen wäre.
Das Mofa bekommt man bei uns nur selten zu sehen, obwohl es
Grazer Wurzeln hat. Es ist ein Puch Mini Maxi, wahrlich keine Schönheit.
Spartanischer Zentralrohrrahmen, Tank unterm Sattel, aber immerhin schon ein gefedertes
Heck, also nicht völlig runtergespart, was auch der neckische Lampentopf verrät und die
Schürze, dank derer man mutmaßlich verlockt war, das Modell mit einem L für "Luxus"
zu versehen.
Das war einst sehr verbreitet. Minimales Zubehör wie etwa
zwei Chromzierleisten und ein kurbelbares statt starres Seitenfenster konnten einem
Nachkriegs-Kleinwagen schon das Luxus-L einbringen.
Die Geschichte des Mopeds [link] ist
übrigens noch gar nicht geschrieben worden, was Kulturwissenschafter Matthias Marschik
und mich derzeit beschäftigt. Jenseits der Technologiefragen ist das vor allem eine
nächste Revolution der individuellen Mobilität gewesen.
In Stichworten: Die Motorisierung des Fahrrades nahm den
Menschen die Mühe des Strampelns ab und gab ihrer Reichweite neue Dimensionen. Ein Moped
ist letztlich nicht technisch definiert, sondern durch die Straßenverkehrsordnung.
Das Limit an Hubraum und Höchstgeschwindigkeit bringt Führerscheinbefreiung und niedrige
Fixkosten an Steuern wie Versicherung.
Den ersten Mobilitäts-Schub in neue soziale Verhältnisse
hatte zum Ende des 19. Jahrhundert das Fahrrad erbracht, genauer, das Niederrad (Safety).
Es ist uns heute nicht mehr gar so klar, was dieser Sprung an persönlicher Reichweite
bedeutete, da plötzlich die Ausbeute aus leiblicher Kraft zur Überwindung des Raumes
gegenüber dem Gehen vervielfacht werden konnte.
Damit meine ich, das teure und gefährliche Hochrad,
hier ein französisches Clement #2 von 1886, mußte erst zum stabilen und
preiswerten "Sicherheitsrad" werden, wie wir es heute noch kennen. Raumüberwindung
hat stets auch mit geistigen Dimensionen zu tun. Alles verschiebt sich, wenn sich der
Horizont auflöst und wir erfahren, was sich jenseits der Tellerränder tut.
Im Vorjahr war es mir nicht gelungen, mit "Mythos
Puch" diese soziale und kulturelle Dimension des Themas Mobilitätsgeschichte
ausreichend zu unterstreichen: [link] In der offiziellen Darstellung war mir diese Veranstaltung
plötzlich zu einem simplen "Puch-Treffen" als
"Rahmenprogramm" einer Leistungsschau lokaler Autohändler verrutscht.
In solcher Verkürzung ist zu viel vom Thema und von der
Arbeit daran verschenkt. Mag sein, daß derlei Verkürzungen dem gesteigerten
Publikumsandrang nützlich sind, doch das rührt an eine alte Kontroverse. Die Optimierung
des Publikumsandranges gehört nicht zu meinen Aufgaben. Leute wie ich haben an Inhalten
zu arbeiten, die adäquat publiziert, der Öffentlichkeit angeboten werden.
Heuer gehe ich mit "Mythos Puch" 2015
noch tiefer in diese Zusammenhänge hinein: [link] Mit der Betrachtung, was denn Handwerk und Volkskultur
in der technischen Welt ausmache, führe ich über Denkanstöße der Ethnologen Hermann
Bausinger und Dieter Kramer, aber auch über die Arbeiten von Hilde Harrer, zu unseren
regionalen Kulturfragen.
Ja, das hat auch seine Schnittstellen zum Feld der Kunst.
Und es wirft Fragen auf, mit welchen Inhalten und Kompetenzen eine Region unterfüttert
sein möge, die zur Landeshauptstadt Provinz ist, aber in sich Zentren gebildet hat.
Eine Region, die vor allem alte agrarische Welt,
industrielles Werden und urbanes Leben über etliche Bereiche verwoben hat, darin bis in
die Gegenwart über Wechselwirkungen erlebt. Das ist knifflig und sehr interessant. Gerade
da bietet das Thema Mobilitätsgeschichte eine gemeinsame Schnittstelle. Über
dieses Teilthema kann ich die anderen Aspekte elegant in Verbindung halten.
Ich werde übrigens morgen in dieser Sache erstmals mit
Heimo Müller und seinem rollenden Medienlabor, dem Blogmobil [link], losziehen, um in Gleisdorf
einen Handwerker in seiner Werkstatt zu besuchen und ein Interview zu führen. Der Auftakt
einer Serie.
Roman Hold [link] verköpert diese hybride Form der Arbeit in einem Pendeln
zwischen Handwerk und künstlerischen Optionen. Er baut Motoren, Motorräder, Autos,
modifiziert bestehende Fahrzeuge und sorgt auch für Leistungssteigerungen der Triebwerke,
die jenseits aller Alltagsnotwenigkeit ihre Kraft entfalten.
Hier Roman Hold am Steuer eines bärenstarken und sehr
zickigen Hot Rod auf Basis eines alten Plymouth, einer Fuhre, die mit
energischer Hand auf der Straße gehalten werden muß, weil sie gerne links und rechts
ausbricht, wenn man sie läßt. Ist nicht ganz stressfrei, zumal der Wagen "gechannelt"
ist, was bedeutet, die Hütte liegt extrem tief und man sitzt darin flach wie in
einer Badewanne.
Da kann man über das rituelle Verbrennen von Mehrwert ins
Grübeln kommen und die technischen Lösungen müssen ja qualitativ sehr hoch sein, weil
einem sonst das eigene Leben leicht um die Ohren fliegt.
Was bewirkt es also an den Handwerkern, die über
Jahrzehnte ihre Handfertigkeit verfeinern, wodurch auch ihr Denken geprägt wird, wenn sie
über solche Zeiträume laufend mit Problemlösungen befaßt sind, mit Gestaltungsfragen,
also eben auch mit hohen ästhetischen Anforderungen?
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