6. Mai 2015

Umwerfend! Dieser treuherzige Blick des engelhaften Wesen, das in all seiner Lieblichkeit den Dreck wegputzt: "Mein kleines Zuhause". Warum hat mir das niemand beigebracht? Mein Mädchen ist Diplom Ingenieur der Elektrotechnik, versteht sich zwar darauf, Dreck wegzuputzen, aber nicht in meinen Hallen. Dazu fehlen der Ingenieurin Zeit und Intention.

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Manche Dinge bleiben nicht, wie sie sind, andere haben ein erstaunliches Beharrungsvermögen. Dieser Tage sah ich eine Dokumentation, in der Tierschützer mit Bauersleuten aufeinanderknallten. Dabei ließ sich die Bäuerin zu einem bemerkenswerten Statement hinreißen. Dies seien Leute, die offenbar keine Arbeit hätten, nur studiert und noch nichts gearbeitet, lauter Blödheiten im Kopf.

Das Motiv kenne ich aus meinen Kindertagen. In den 1960er- und 70er Jahren wurden Demonstrationen gerne so quittiert, falls ausreichend junge Leute im Spiel waren: Nur studieren, nichts arbeiten. Die Denkarbeit und das Zupacken in Frontstellung. Dümmer könnte man nicht zerreißen, wozu wir alle gefordert sind, damit die Welt sich nicht ohne uns dreht, nämlich BEIDES zu schätzen.

Ich spüre immer wieder einen erheblichen Groll, wenn ich mit solchen Belegen der heimischen Intellektuellenfeindlichkeit in Berührung komme. Unabhängig davon, ob denn nun jemand studiert hat oder nicht, das bleibt letztlich bloß metaphorisch, ist der scharfe Geist verhaßt, ebenso verhaßt wie die Eloquenz.

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Akademiker oder Hackler, ganz egal, bei beiden Metiers hört man doch nach wenigen Sätzen, wer zu erzählen weiß, also über Esprit verfügt, und wer bloß plappert und sich dabei nach großen Gefühlen verzehrt oder wenigstens nach Bedeutung.

Die Schwätzer und die Marktschreier sind mir ziemlich zuwider. Jene Plapperwesen, die ein konsequentes Denken gerne anderen Leuten überlassen, aber im Verwerten der Ergebnisse schnell zur Stelle sind.

Schiller war ein störrischer Kerl, von dem mich wundert, daß er nicht über Jahre in den Knast gepackt wurde. In seinem Don Carlos ließ er den Marquis Posa einem Global Player, dem spanischen Habsburger Phillip II., eine kühne Empfehlung vorlegen:

[...] Alle Könige
Europens huldigen dem spanischen Namen.
Gehn Sie Europens Königen voran.
Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Gedankenfreiheit

Es heißt, daß sogar Goebbels Szenen-Applaus an dieser Stelle nicht zum Anlaß genommen habe, die Aufführung des Stückes zu verbieten.

Geben Sie Gedankenfreiheit! Das bedeutet, dem Lauf der Dinge mehr Zeit zu verschaffen, Wendungen zu erlauben. Das bedeutet in Kauf zu nehmen, es werden weder Verlauf noch das Ankommen an Zielen vorbestimmt sein.

Denken stört oft die Abläufe. Darum ist es auch immer noch unpopulär. In den Tagen von Goebbels herrschte große Übereinkunft, man müsse den Eigenwilligen notfalls in Fresse hauen. Wer solche Einladung, das eigene Denken nicht gar so wichtig zu nehmen, ignorierte, konnte schließlich auch noch von einem Rollkommando abgeholt werden. Dann war meist Ruhe.

Ich reagiere immer und ich reagiere manchmal aggressiv, sobald man mir auch nur Spuren von Intellektuellenfeindlichkeit zumutet. Wer konsequentes Denken für anrüchig hält, ist ein Vorbote der Tyrannis. Da verstehe ich keinen Spaß.

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Eine Vernissage in der Gleisdorfer Galerie Einraum hat mich dieser Tage in solchen Fragen wieder beruhigt. Es entspannen sich einige Debatten, an denen man merken durfte, daß Menschen sich ihre Ansichten erarbeitet hatten.

Im Nachdenken über die Abläufe von Vernissagen, Veranstaltungseröffnungen, über das Symbolische und die Rituale, ohne die wir nicht sein können, blicke ich gerade wieder freundlicher auf solche Inszenierungen, die mir zwischenzeitlich schon etwas auf die Nerven gegangen waren.

Wer zu den Honoratioren einer Gemeinschaft gezählt wird, also bei Eröffnungen zum Publikum spricht, ist dabei erheblich gefordert, eben nicht bloß sozialen Rang zu demonstrieren, sondern auch Esprit.

Das heißt, wer sein Publikum in solchen Momenten langweilt, riskiert seinen oder ihren sozialen Rang. Blödes Geschwafel wird selbst von Menschen mit bescheidenen Denkambitionen als ermüdend empfunden und schadet der Quelle des Geschwätzes, der exponierten Person.

Das ist mein bescheidener Trost über die herrschenden Verhältnisse, letztlich muß man immer wieder Farbe bekennen. Es wäre festzuhalten: Wenn Sie schon das Privileg beanspruchen, vor ein Publikum zu treten, dann arbeiten Sie gefälligst daran, in dieser Frage nicht unter dem Niveau Ihrer Position zu bleiben!

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