1. Mai 2015 Wer würde
aus freien Stücken eine Klinge schlucken? Doch wenn der Hals mit Honig gefüllt ist, mag
sie dort steckenbleiben. So ist es mit der Gewaltbereitschaft. Und immer wieder das Rutenbündel.
Ein Symbol der Züchtigung, zugleich das Bild des strammen, gebundenen Menschen, der
Schlag um Schlag hinzunehmen gelernt hat.
Wir entstammen Zeiten, wo die Leute durch die Arbeit
geschunden wurden, durch die Herren auch geschunden wurden, auch durch die Diener der
Herren. Viele bekamen dafür überdies bloß Dreck zu fressen. Und für Frauen gab es
prinzipiell extra was aufs Maul.
Die Spuren dieser Schäbigkeit, das splitternde Erbe
solcher Umstände, findet sich noch heute leicht, wenn man einigen gut gelaunten Kerlen
zuhört, so sie sich unbehelligt fühlen, wenn ihre Emotionen ihnen große Gesten
einflüstern.
Viele von uns haben diese Kräftespiele fein zivilisiert.
Verdeckte Intentionen, korrumpierte Kommunikation, überraschende Zugriffe, so wird um
Faktenlagen gerungen. Der Honig und die Klinge im Hals. Mit guten Werkzeugen und
betrunkenen Leuten ist dann bei Bedarf auch ein Massenschlachten möglich.
Damit meine ich, jedes Massaker hat die kleinen,
überschaubaren Quellen in den Intentionen einzelner Menschen. Das kommt nicht aus dem
Blauen. Wir können den Hetzern stets zusehen, wie sie sich um Gefolgschaft bemühen.
Nie geht das ohne Sprechgesänge, ohne einen Krieg der
Worte. Immer wird das Töten vorher in Schriften und Reden angekündigt. An den
Maschinisten der Menschenverachtung ist kein Geheimnis. An ihrer Wortwahl sind keine
Rätsel. Wir kennen die Klänge...
-- [Wunderkammer]
[Lyrik] -- |