30. März 2015

Leistungsträger. Wir reden alle nicht gerne über Kulturpolitik. Es ist das große Tabu der Kulturschaffenden. (Eigentlich seltsam!) Ich kann von diesem Thema aber nicht lassen, denn es betrifft die Grundlagen einer Wissens- und Kulturarbeit, die nicht bloß von ökonomischen Interessen dominiert wird.

Eine Faustregel besagt, daß ein losgeschicktes Wort sich schwerer zurückholen ließe, als man Zahnpasta in die Tube zurückdrücken könne.

Im Alltag dürfen wir meist mit mildem Reflexionssystem unterwegs sein, denn wer könnte in beiläufiger Unterhaltung stets den Kontext und Subtext von zentralen Worten einer Konversation bedenken? Man käme zu keinem Ende.

Bei der Medienarbeit ist das prinzipiell ein wenig anders. Wer sich via Massenmedien an ein größeres Publikum wendet, bleibt meist mit der Beachtung der einfachsten journalistischen Grundregeln gut beraten.

log2089a.jpg (8953 Byte)

Quelle: "menschen • ideen • netzwerke" (Kulturpakt Gleisdorf)

Dazu gehört, daß man mit An- und Abführungszeichen Zitate markiert, die als persönliche Aussagen einer anderen Person verstanden werden. Soweit die Konvention. Alles andere wäre Deutung, Interpretation, die ""-Zeichen markieren dagegen O-Ton.

In der 13. Kalenderwoche veröffentlichte die Gleisdorfer Abteilung für Kultur und Marketing eine kulturpolitische Programmschrift. Darin ein Interview mit "Mag. (FH) Kartharina Scheidl ist innerhalb der Stadtgemeinde Gleisdorf für die Koordination des Kulturpaktes zuständig."

-- [Die Publikation als PDF-Datei] --

In diesem Interview werde ich zitiert, ohne gefragt worden zu sein; allerdings falsch und somit sinnentstellend. Das Sätzlein sähe ich gerne wieder in der Tube. Da das nicht geht, muß ich es richtigstellen. Die Passage lautet:

>>Die Idee ist, gemeinsam Projekte zu entwickeln und - wie Martin immer sagt - "vom Subventionsempfänger zum Kooperationspartner und Leistungsträger" zu werden. So hat die Avantgarde ebenso Platz wie die Basiskultur.<<

Fragen wir ausnahmsweise nicht, was hier mit "Avantgarde" und mit "Basiskultur" gemeint ist, obwohl jene, die in einer Region Programm machen, schon wissen sollten, was sie mit welchen Begriffen meinen. Der neuralgische Punkt liegt woanders.

Eines ist völlig zutreffend, ich habe mich Jahre dafür eingesetzt, daß sich Kunst- und Kulturschaffende in ihrem Verhalten "vom Subventionsempfänger zum Kooperationspartner" wandeln mögen; und zwar immer dort, wo öffentliche Gelder zum Einsatz kommen.

log2089b.jpg (17162 Byte)

Quelle: "menschen • ideen • netzwerke" (Kulturpakt Gleisdorf)

Ich nenne dazu vorzugsweise eine wichtige Ausnahme: den Ankauf von Kunstwerken. Wo es um Kunstwerke geht, ist nur der Marktwert verhandelbar, die Attitüde aber nicht. (Allerdings wissen wir, daß Kunstschaffende oft die Wünsche von Auftraggebern, von Sponsoren, nicht ignorieren. Doch das ist eine andere Debatte.)

Da Scheidl mir hier ein wörtliches Zitat unterstellt, verlangt das Wort "Leistungsträger" einen energischen Einwand. Leistungsträger war ursprünglich ein ganz unspektakulärer Terminus, der eine Arbeitskraft bezeichnete.

Inzwischen wurde daraus aber ein neoliberaler Kampfbegriff, den ich zuletzt in massiver Häufung gehört habe, als sich 2014 Besucher des Wiener "Akademiker-Balls" über die Demonstrationen vor den Haus äußerten.

Hier hat also das ideologische Kopfkino von Frau Scheidl zugeschlagen. Ich hab nämlich eine grundlegende Bedingung des Haltungswechsels "vom Subventionsempfänger zum Kooperationspartner" immer wieder betont, die lautet nicht "Leistungsträger", sondern Leistungsaustausch.

Achtung! Es geht um Nuancen und worauf sie uns hinweisen sollen! Das mag in der Arbeitswelt anderer egal sein, auf dem Feld von Kunst und Kultur ist es das auf keinen Fall; zumindest nicht unter kompetenten Leuten.

Sie meinen dennoch, das sei einerlei?

Keineswegs, wenn man den Kontext beachtet, auf den ich meine ursprüngliche Konzeption des "Kulturpakt Gleisdorf" gestellt habe. Ich habe stets eine unverzichtbare Voraussetzung betont: den Kompetenzgewinn, um Ideenfindung, Projektentwicklung und adäquate Projektumsetzung selbst gewährleisten zu können.

Davon ausgehend solle das Angebot zum Leistungsaustausch erfolgen, auf daß Politik und Verwaltung, aber auch die Wirtschaft, sich auf Kooperationen einlassen mögen.

Das heißt, ich stehe ausdrücklich gegen die dümmliche Behauptung vieler Kunstschaffender, daß beliebige künstlerische Praxis für sich schon ein Wert sei, der mit öffentlichen Mitteln honoriert werden solle. Im Gegenteil, genau das halte ich für vorerst eine private Angelegenheit.

Wer aber öffentliche Gelder beansprucht, solle in einen kulturpolitischen Diskurs eintreten und da seinen oder ihren Leistungsanspruch begründen.

Der Leistungsaustausch, von dem ich rede, handelt von jenem wahlweise sozialen, symbolischen, kulturellen oder ökonomischen Kapital wie es Pierre Bourdieu uns zur Beschreibung gesellschaftlicher Vorgänge vorgeschlagen hat.

Kapital ist dabei nicht im marxistischen Sinn gemeint, sondern -- verkürzt -- im Sinne von: menschliches Handeln bringt immer etwas hervor; eben soziales, symbolisches, kulturelles oder ökonomisches Kapital. Zur besseren Orientierung hier eine graphische Darstellung der Kapitalsorten und Zusammenhänge nach Bourdieu: [link]

log2089c.jpg (8795 Byte)

Quelle: "menschen • ideen • netzwerke" (Kulturpakt Gleisdorf)

Staunenswert ist auch die Interview-Passage, in der Scheidl gefragt wurde: "Was wurde beispielsweise gemacht?" Die Antwort handelt ausschließlich von eigener Projektarbeit der Abteilung: "Die Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirkspflegeheimes wurden interviewt,..."

Daß es im Vorjahr das komplexe, aus LEADER-Mitteln kofinanzierte Projekt "Kulturpakt Gleisdorf 2014" gab, in dem vertragsgemäß die Grundlagen für das kommenden Arbeitsjahr zu klären waren, kommt mit allen Konsequenzen dieses LEADER-Projektes in der Werbebroschüre überhaupt nicht vor.

Nach gründlicher Durchsicht des gesamten Heftes darf festgehalten werden, daß die Kultur- und Marketingabteilung der Stadt den "Kulturpakt Gleisdorf" übernommen hat und das ursprünglice Bottom up-Projekt in ein PR-Imstrument der Abteilung transformierte.

Zu weiteren prachlichen Details: "Wir sind Kulturpakt". Eine Diktion der Bildzeitung ("Wir sind Papst") ist mit meiner Vorstellung von Wissens- und Kulturarbeit absolut unvereinbar. Solche Art Marktschreierei verbietet sich von selbt.

Was ich unter "Kulturpakt Gleisdorf" erarbeitet habe, ist heute Historie: [link] Was das LEADER-Projekt "Kulturpakt Gleisdorf 2014" war, wurde offenbar von der Kulturabteilung der Stadt entsorgt und damit eigentlich Geld verbrannt: [link]

Zur ideologischen Deutung dieser Vorgänge siehe: "Kultur kurios: Bildungsbürgertum" [link] Wir gehen in der regionalen Wissens- und Kulturarbeit wieder back to the roots, konzentrieren uns auf regionale Basisarbeit und das kommende Kunstsymposion.

Dazu gibt es nun auch eine von mehreren Diskursleisten, die solchen Zusammenhängen gewodmet ist: Peripherie (Regionale Wissens- und Kulturarbeit) [link]

-- [Kulturspange] [Gleisdorfer Kunstsymposion] --

[kontakt] [reset] [krusche]
14•15