30. März 2015 Leistungsträger. Wir reden alle nicht gerne über Kulturpolitik.
Es ist das große Tabu der Kulturschaffenden. (Eigentlich seltsam!) Ich kann von diesem
Thema aber nicht lassen, denn es betrifft die Grundlagen einer Wissens- und Kulturarbeit,
die nicht bloß von ökonomischen Interessen dominiert wird.
Eine Faustregel besagt, daß ein
losgeschicktes Wort sich schwerer zurückholen ließe, als man Zahnpasta in die Tube
zurückdrücken könne.
Im Alltag dürfen wir meist mit mildem
Reflexionssystem unterwegs sein, denn wer könnte in beiläufiger Unterhaltung stets den Kontext
und Subtext von zentralen Worten einer Konversation bedenken? Man käme zu keinem
Ende.
Bei der Medienarbeit ist das
prinzipiell ein wenig anders. Wer sich via Massenmedien an ein größeres
Publikum wendet, bleibt meist mit der Beachtung der einfachsten journalistischen
Grundregeln gut beraten.
Quelle: "menschen ideen
netzwerke" (Kulturpakt Gleisdorf)
Dazu gehört, daß man mit An- und Abführungszeichen
Zitate markiert, die als persönliche Aussagen einer anderen Person verstanden werden.
Soweit die Konvention. Alles andere wäre Deutung, Interpretation, die ""-Zeichen
markieren dagegen O-Ton.
In der 13. Kalenderwoche veröffentlichte die
Gleisdorfer Abteilung für Kultur und Marketing eine kulturpolitische
Programmschrift. Darin ein Interview mit "Mag. (FH) Kartharina Scheidl ist
innerhalb der Stadtgemeinde Gleisdorf für die Koordination des Kulturpaktes
zuständig."
-- [Die Publikation
als PDF-Datei] --
In diesem Interview werde ich zitiert, ohne
gefragt worden zu sein; allerdings falsch und somit sinnentstellend. Das Sätzlein sähe
ich gerne wieder in der Tube. Da das nicht geht, muß ich es richtigstellen. Die Passage
lautet:
>>Die
Idee ist, gemeinsam Projekte zu entwickeln und - wie Martin immer sagt - "vom
Subventionsempfänger zum Kooperationspartner und Leistungsträger" zu werden. So hat
die Avantgarde ebenso Platz wie die Basiskultur.<<
Fragen wir ausnahmsweise nicht, was hier mit "Avantgarde"
und mit "Basiskultur" gemeint ist, obwohl jene, die in einer Region
Programm machen, schon wissen sollten, was sie mit welchen Begriffen meinen. Der
neuralgische Punkt liegt woanders.
Eines ist völlig zutreffend, ich habe mich
Jahre dafür eingesetzt, daß sich Kunst- und Kulturschaffende in ihrem Verhalten "vom
Subventionsempfänger zum Kooperationspartner" wandeln mögen; und zwar immer
dort, wo öffentliche Gelder zum Einsatz kommen.
Quelle: "menschen ideen
netzwerke" (Kulturpakt Gleisdorf)
Ich nenne dazu vorzugsweise eine wichtige
Ausnahme: den Ankauf von Kunstwerken. Wo es um Kunstwerke geht, ist nur der
Marktwert verhandelbar, die Attitüde aber nicht. (Allerdings wissen wir, daß
Kunstschaffende oft die Wünsche von Auftraggebern, von Sponsoren, nicht ignorieren. Doch
das ist eine andere Debatte.)
Da Scheidl mir hier ein wörtliches Zitat unterstellt,
verlangt das Wort "Leistungsträger" einen energischen Einwand. Leistungsträger
war ursprünglich ein ganz unspektakulärer Terminus, der eine Arbeitskraft bezeichnete.
Inzwischen wurde daraus aber ein neoliberaler
Kampfbegriff, den ich zuletzt in massiver Häufung gehört habe, als sich 2014
Besucher des Wiener "Akademiker-Balls" über die Demonstrationen vor
den Haus äußerten.
Hier hat also das ideologische Kopfkino von
Frau Scheidl zugeschlagen. Ich hab nämlich eine grundlegende Bedingung des
Haltungswechsels "vom Subventionsempfänger zum Kooperationspartner"
immer wieder betont, die lautet nicht "Leistungsträger", sondern Leistungsaustausch.
Achtung! Es geht um Nuancen und worauf
sie uns hinweisen sollen! Das mag in der Arbeitswelt anderer egal sein, auf dem Feld von
Kunst und Kultur ist es das auf keinen Fall; zumindest nicht unter kompetenten Leuten.
Sie meinen dennoch, das sei einerlei?
Keineswegs, wenn man den Kontext beachtet, auf
den ich meine ursprüngliche Konzeption des "Kulturpakt Gleisdorf"
gestellt habe. Ich habe stets eine unverzichtbare Voraussetzung betont: den Kompetenzgewinn,
um Ideenfindung, Projektentwicklung und adäquate Projektumsetzung
selbst gewährleisten zu können.
Davon ausgehend solle das Angebot zum
Leistungsaustausch erfolgen, auf daß Politik und Verwaltung, aber auch die
Wirtschaft, sich auf Kooperationen einlassen mögen.
Das heißt, ich stehe ausdrücklich gegen
die dümmliche Behauptung vieler Kunstschaffender, daß beliebige künstlerische Praxis
für sich schon ein Wert sei, der mit öffentlichen Mitteln honoriert werden solle. Im
Gegenteil, genau das halte ich für vorerst eine private Angelegenheit.
Wer aber öffentliche Gelder beansprucht,
solle in einen kulturpolitischen Diskurs eintreten und da seinen oder ihren
Leistungsanspruch begründen.
Der Leistungsaustausch, von dem ich
rede, handelt von jenem wahlweise sozialen, symbolischen, kulturellen
oder ökonomischen Kapital wie es Pierre Bourdieu uns zur
Beschreibung gesellschaftlicher Vorgänge vorgeschlagen hat.
Kapital ist dabei nicht im
marxistischen Sinn gemeint, sondern -- verkürzt -- im Sinne von: menschliches Handeln
bringt immer etwas hervor; eben soziales, symbolisches, kulturelles oder ökonomisches
Kapital. Zur besseren Orientierung hier eine graphische Darstellung der Kapitalsorten und
Zusammenhänge nach Bourdieu: [link]
Quelle: "menschen ideen
netzwerke" (Kulturpakt Gleisdorf)
Staunenswert ist auch die Interview-Passage,
in der Scheidl gefragt wurde: "Was wurde beispielsweise gemacht?" Die
Antwort handelt ausschließlich von eigener Projektarbeit der Abteilung: "Die
Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirkspflegeheimes wurden interviewt,..."
Daß es im Vorjahr das komplexe, aus LEADER-Mitteln
kofinanzierte Projekt "Kulturpakt Gleisdorf 2014" gab, in dem
vertragsgemäß die Grundlagen für das kommenden Arbeitsjahr zu klären waren, kommt mit
allen Konsequenzen dieses LEADER-Projektes in der Werbebroschüre überhaupt
nicht vor.
Nach gründlicher Durchsicht des gesamten
Heftes darf festgehalten werden, daß die Kultur- und Marketingabteilung der Stadt den "Kulturpakt
Gleisdorf" übernommen hat und das ursprünglice Bottom up-Projekt in ein
PR-Imstrument der Abteilung transformierte.
Zu weiteren prachlichen Details: "Wir
sind Kulturpakt". Eine Diktion der Bildzeitung ("Wir sind
Papst") ist mit meiner Vorstellung von Wissens- und Kulturarbeit
absolut unvereinbar. Solche Art Marktschreierei verbietet sich von selbt.
Was ich unter "Kulturpakt
Gleisdorf" erarbeitet habe, ist heute Historie: [link]
Was das LEADER-Projekt "Kulturpakt Gleisdorf 2014" war, wurde
offenbar von der Kulturabteilung der Stadt entsorgt und damit eigentlich Geld verbrannt: [link]
Zur ideologischen Deutung dieser Vorgänge
siehe: "Kultur kurios: Bildungsbürgertum" [link] Wir gehen in der regionalen Wissens- und Kulturarbeit wieder back
to the roots, konzentrieren uns auf regionale Basisarbeit und das kommende Kunstsymposion.
Dazu gibt es nun auch eine von mehreren
Diskursleisten, die solchen Zusammenhängen gewodmet ist: Peripherie (Regionale
Wissens- und Kulturarbeit) [link]
-- [Kulturspange] [Gleisdorfer
Kunstsymposion] -- |