11. März 2015 Popismus. Andy Warhol hat allerhand Aussagen dazu gemacht,
was "Popism" sei und was eine "Pop-Haltung"
ausmache. Dazu gehört die Feststellung "Pop kommt von außen". Es
würde nur zählen, was auf der Leinwand zu sehen sei, daher bliebe es nachrangig, woher
die Idee komme.
Ich finde sehr sympathisch daran, daß er die
eigene schöpferische Kraft nicht mythisch überhöhte, sondern betonte, man könne und
solle auch andere um Rat fragen, sie um Ideen bitten. Das mag man freilich als ein
räuberisches Konzept deuten. Ich deute es lieber als ein Votum für kollektive
Kunstpraxis.
Was mir in meinem Milieu immer wieder
unterkommt, ist eine ganz blöde Vernarrtheit in das antiquierte Bild vom einsamen
Genie, wobei völlig ausgeblendet wird, wie viel in einer Kultur an Vorleistungen
anderer Menschen nötig ist, daß unsere individuelle Kunstpraxis gelingen kann.
Für Warhol gehörten Pop und Showbiz
stets zusammen. Er äußerte sich eher abschätzig über Deutungseliten, die zum Beispiel
nach seiner Auffassung völlig ignorierten, was es bewirkte, daß die Kinder jährlich
Millionen an Rock & Roll-Singles kaufen würden.
Ich habe als Kind noch zu hören bekommen, was
"Schmutz und Schund" sei. Die eher fadenscheinige Unterscheidung
zwischen "E" und "U" war Standard. Pure Ideologie! Heute werden es
viele nicht mehr wissen, "E und U" stand für "Ernst" und
"Unterhaltung".
Andy Warhol erklärte, "Pop-Amerika"
sei "Amerika durch und durch". Er markiere die "E und
U-Geschichte" als hinfällig. In seinen Worten stand auf den Türschildern
dieser Felder "offizielle, gewichtige und 'sinnvolle' Gesellschaft"
sowie "frivole Pop-Gesellschaft".
Der Rückblick zeigt deutlich, wie zielstrebig
Warhol unterwegs war, um seine Arbeit und sich selbst beim "Establishment"
ankommen zu lassen. Die Pop Art wird unter anderem als Gegenbewegung zur
gegenstandslosen Malerei gedeutet. Wenn Andy Warhol eine Suppendose aus dem Regal
nahm, signierte und damit zum Kunstwerk umdeutete, konnte ein Werk wohl kaum noch
gegenständlicher werden.
Daß er dieses Motiv dann, da er ein
erstklassiger Grafiker war, auch medial vielfältig umsetzen konnte, darf ich hoffentlich
als bekannt voraussetzen. Ich mag das Motiv übrigens so sehr, daß Dosen von Campbell's
Tomatensuppe zu meinem Hausrat gehören. (Siehe das Foto oben.)
Gegenbewegung zur gegenstandslosen Malerei...
Betrachtet man die vier Motive, welche ich als repräsentativ herausgestellt habe, steht
das Schwarze Quadrat an erster, eine Suppendose an vierter Stelle. Der "Strömer"
von Jaray entstammt nicht dem Kunstfeld, sondern der Befassung mit Aerodynamik.Der Buckyball
an dritter Stelle ist ein Referenz an Richard Buckminster Fuller.
Ich betone das, weil Warhol in seinen Notizen
über Popismus Buckminster Fuller an kurioser Stelle erwähnte. Er hatte bei der
Expo 1967 (Der Mensch und seine Welt) [link] in Montreal im Amerika-Pavillon
am Ufer des St. Lawrence River sechs seiner Selbstportraits ausgestellt.
Warhol: "Der amerikanische Pavillon
bestand aus Buckminster Fullers großer geodätischer Kuppel, deren Aluminiumblenden die
Sonnenstrahlen auffingen, einer Apollo-Raumkapsel und einer freischwebenden, langen
Rolltreppe."
American Pavilion: Biosphere
Montreal (Foto: Cédric Thévenet, GNU 1.2)
Warhol notierte an anderer Stelle: "Aber
ein Großteil der Ausstellung widmete sich der Pop-Kultur: [...] Pop-Amerika war
Amerika durch und durch."
Mir geht es hier nicht um die Stichhaltigkeit
dieser Aussagen, sondern um die Reichweiter dieser Pose, von der ich bewegt bin. Darum
genau von da aus (Gegenbewegung zur gegenstandslosen Malerei) noch einmal ein
Blick zurück zu einer hohen Position der Abstraktion. Malewitsch hat ja über das
schwarze Quadrat auf weißem Grund zu einem weißen Quadrat auf weißem Grund geführt.
Das ist die "Suprematist Composition
White on White" von 1918, Öl auf Leinwand, heute im Museum of Modern Art
in New York. Siehe dazu: [link]
Wer sich hinreißen läßt, das für ein "Nichtbild" zu halten, sollte sich
vielleicht ein wenig mit unserer europäischen Malerei aus dem Mittelalter befassen oder
mit Ikonen.
Ich denke gerade an die Farbe Gold
als "Nichtfarbe" und als Manifestation der Energie Gottes, so wurde sie
nämlich verstanden und eingesetzt. (Maximale Abstraktion!) Also ein früher Aspekt des
Themas Abstraktion, wobei im Bild ein Platzhalter das repräsentiert, was nicht
dargestellt werden kann und/oder soll.
Gold steht also für das Unsichtbare,
die anderen Farben stehen für das Sichtbare. Bei Ikonen steht das Gold für den Blick
Gottes, der uns Betrachtende ansieht. Das bedeutet, wir blicken nicht bloß auf die
Ikone, über die Ikone blickt auch etwas auf uns.
Das Gold als Malgrund meint ferner, die Ikone
werde auf Licht gemalt. Was für eine beeindruckende Attitüde des Malers! Was für eine
elegante Lösung, mit künstlerischen Mitteln zu bearbeiten, was außerhalb der eigenen
Existenz und sogar jenseits der Welt liegen mag.
Dieser kleine Exkurs sollte nützlich sein,
wenn einen das weiße Quadrat von Malewitsch irritiert oder die Suppendose von Warhol, und
falls man sich hinreißen läßt, Pop Art rundheraus für banal zu halten.
-- [Gleisdorfer
Kunstsymposion] -- |