19. Februar 2015 Budgets.
Ich habe eben begonnen, auf dem Weg zum 2015er Kunstsymposion in Gleisdorf mit
meinem Kollegen Selman Trtovac inhaltliche und soziale Fragen des Künstlerdaseins zu
erörtern, die Ergebnisse unseres Austauschs zu publizieren. Wir sind einig, die Frage was
es heute bedeutet, Künstler zu sein, ist und war immer eine wichtige Frage. Wer
diese Frage sich nicht stellt ist kein Künstler, stellt Trtovac überzeugt
fest.
Das 2013er Kunstsymposion in
Gleisdorf:
Wir reden nicht gerne offen über Existenz-Konzepte
Hier geht es uns darum, deutlich und auch nachvollziehbar
zu machen, daß wir als Künstler Professionals sind, was aber nicht bedeutet, daß unsere
künstlerische Arbeit bloß dem Markt ausgeliefert wird.
Wir müssen für unsere Arbeit vor allem marktfreie Räume sichern, damit sie angemessen
gedeihen kann. Die Motive, Intentionen und Strategien der Kunst sind anderer Art als jene
ökonomischen und sozialen Strategien, dank derer wir unser Brot verdienen.
In Österreich hab ich so gut wie keine Kontakte zu Kunstschaffenden, von denen ich
erfahren würde, wie sie ihre Existenz bestreiten. In meinem Metier kommen Debatten
darüber kaum vor, außer auf so inkompetente Art, daß etwa jemand behauptet, er oder sie
habe bloß vier- bis fünftausend Euro Jahreseinkommen.
Das ist natürlich kein Jahreseinkommen, sondern bestenfalls ein Projekthonorar oder ein
Paket von Einzelhonoraren. Mein Einkommen ist das, was ich erwirtschafte, um ein Jahr
ökonomisch zu überleben. Da reicht ein Fünfer nicht, darüber sind wir uns
hoffentlich einig.
Selman Trtovac lebt in Belgrad. Ein serbisches Durchschnittseinkommen beträgt derzeit
rund 300,- bis 400,- Euro. Wer es auf 600,- Euro bringt, darf sich glücklich schätzen.
Viele Güter und Artikel des täglichen Gebrauchs sind dort auf gleichem Preisniveau wie
bei uns.
Das 2014er Kunstsymposion in
Gleisdorf:
Klartext als Grundlage kulturpolitischer Diskurse
Es gibt in Serbien keinen Kunstmarkt, der den
Begriff wert wäre. Staatliche Förderprogramme für Gegenwartskunst sind auch nicht in
Sicht, sozialen Programme, die einen auffangen könnten, ebensowenig. Viele Museen wurden
geschlossen.
In Serbien als Künstler zu überleben ist dadurch erheblich schwieriger als bei uns. Ein
Broterwerb außerhalb der Kunstpraxis scheint unabdingbar. Die Optionen einer
bohemienhaften Existenz entfallen praktisch.
Was Österreich mit Serbien teilt, ist die
Ermangelung eines relevanten Kunstmarktes, der auch nur annähernd jenes kreative
Potential ernähren könnte, das sich heute äußert. Was an Kunstmarkt Wirkung zeigt,
trägt aber bei uns zumindest eine interessante Minorität an Kunstschaffenden, die sich
dafür in vielen Situationen schlicht marktkonform verhalten müssen.
Das bedeutet mindestens, gegenüber der Sammlerszene sehr höflich zu sein, sich recht
ausdauernd um die Aufmerksamkeit der Medienleute bemühen etc. Das bedeutet auch, im
Dauereinsatz zu stehen und ein dichtes Arbeitspensum zu bewältigen; und zwar ganzjährig.
Österreich bietet gegenüber der Postkriegsgesellschaft des Balkans natürlich noch eine
ganze Reihe von Kompensationsmöglichkeiten, wenn jemand den Marktanforderungen nicht
gewachsen ist. Dazu kommen diverse EU-Programme, auf die man bei uns leichter Zugriff
bekommt als von Belgrad aus.
Das 2012er Kunstsymposion in
Gleisdorf:
Kunstsammler sind keine Sozialarbeiter!
Die meisten Kunstschaffenden, mit denen ich in den letzten
Jahrzehnten näher zu tun bekam, wichen den belastenden Momenten eines Freelancer-Daseins
völlig aus. Viele haben schlicht Brotberufe, teils in kunstnahen Metiers, teils im
staatlichen Bildungssystem. Manche haben in der Politik reüssiert oder sind in der
Verwaltung untergekommen.
Dabei fällt auf, wie konsequent die meisten davon ihre Brotberufe kaschieren und sich als
freischaffende Künstler ausgeben. Manche sind einfach verheiratet.
Manche haben dank einer Invalidenpension stabile Einkünfte. Manche bescheiden sich auf
dem materiellen Niveau der Sozialhilfe. Einige haben gut situierte Eltern, die helfen.
An wesentlichen Strategien, um diese Situationen zu verbessern, kenne ich aus der
Steiermark eigentlich nur die Kritik der Kulturpolitik. Einem immer bequemer und
unzurechnungsfähiger werdenden heimischen Feuilleton die Blätter um die Ohren zu
schlagen, das kommt schon nicht mehr in Frage.
Es kommt auch nicht vor, den brancheneigenen Obskurantismus vieler Kunstschaffender zu
demontieren und jenseits der nötigen Anfechtungen von Details dann am Status quo zu
klären, welche Art Verantwortung wir selbst für unseren Berufsstand zu übernehmen
gedenken.
-- [Kunst] [Wovon lebt der Krusche?] --
|