18. Februar 2015 Räume.
Ich habe auf dem Weg zu unserem 2015er Kunstsymposion aktuell über unsere
Auffassungen und Bilder von Räumen nachzudenken. Dies wird das vierte Gleisdorfer
Kunstsymposion. Ich habe großen Wert darauf gelegt, daß wir via Telekommunikation
und Teleworking die strukturellen Nachteile der Provinz gegenüber den Zentren einebnen
können.
Als der Gebrauch von Schrift bei uns noch nicht üblich war
und Europa als orale Kultur bestand, warnte Sokrates davor, die Verschriftlichung
einzuführen, denn sie würde uns vergeßlich machen. Die Menschen hatten komplexe
Mnemotechniken entwickelt, um das Wissen eines Gemeinwesens bewahren zu können.
Ein Beispiel aus der Gegenwart: Leute meiner Generation
haben im ehemaligen Jugoslawien jene Erzähler erlebt, die man Guslar [link] nennt. Die trugen und
tragen immer noch in endlosen Litaneien Epen vor, begleitet von der einsaitigen Gusle
[link].
Das ist, wie man mir sagte, für junge Menschen, die solche
Vorführungen in der Schule erlebten, etwas quälend. In westafrikanischen Kulturen sind
bis heute Griots [link]
mit der Aufgabe mündlicher Weitergabe von Wissen betraut und dafür angesehen.
Eine der alten Mnemotechniken, die ich faszinierend fand,
ohne sie mir auch nur in Fragmenten aneignen zu können, ist der "Gedächtnispalast":
[link] Diese
Methode kennt Varianten von der Antike bis in die Gegenwart.
Ich fand vor allem die Raum-Metapher sehr
anregend. Von der Vorstellung eines Denkraumes kam ich über die Erfahrung mit
"virtuellen Räumen" zu einer kulturell konnotierten Auffassung von "Möglichkeitsräumen".
Ich habe in den letzten 30 Jahren als Kulturschaffender
zunehmend mit Raum-Metaphern gearbeitet. Mein erstes Auftreten im WWW, sie VAN-Site,
stellte ich als "elektromagnetisches Kulturzentrum" dar: [link]
Der Datenbestand war in einer Art elektronischem Haus
angeordnet. In der Lobby konnte man sich orientieren, um zu klären, welche
"Räume" man betreten möchte: [link] So schien mir 1998 der Umgang mit digitalen Stoffen im Web
passabel machbar, nachdem über Jahre die preiswerte Vorläufer-Version, das Bulletin
Board System, vielen Kulturschaffenden in meinem Umfeld zu kompliziert erschienen
war. Mitte der 1990er war dabei noch kaum jemand mit mir mitgegangen: [link]
Im Jahr 2001 hab ich die "praxiszone kunstraum
gleisdorf" eingerichtet: [link]
Daraus wurde im Jahr 2002 der Bereich: "Neue Räume" (Ein Auftakt) [link] Im September 2003 hab
ich in Gleisdorf die Tagung "Leiblichkeit und virtuelle Räume"
realisiert: [link]
Diese laufenden Erörterungen und Erprobungen dessen, was
man sich unter "Neuen Räumen" vorstellen konnte, ein Wechselspiel
zwischen analogen und digitalen Räumen, wurde über die Jahre auch von Fragen der Stadtentwicklung
und der Raumplanung erreicht.
Als Bewohner der Provinz spürten wir zunehmend die
Verschiebungen an Mitteln und Möglichkeiten. Im Kulturbereich haben sich steirische
Zentrumsleute nachhaltig gegen eine Debatte über das Verhältnis Landeszentrum/Provinz
verschlossen.
Diese Diskursverweigerung, der sich etwa eine IG Kultur
Steiermark bis heute ebenfalls verpflichtet hat, ist mit Fragen verzahnt, die seit
vielen Jahren in eine weltweite Landflucht verwoben sind. Als 2008 Lehman Brothers
mit ihrem Crash eine Kette von Krisen lostraten, die sich gegen Ende 2010 auch zu uns in
die Provinz verzweigten und da mit hausgemachten Problemen verbanden, gingen wir regional
auf eine Verwaltungsreform zu.
Diese Reform hat sich inzwischen als eine Serie von Gemeindezusammenlegungen
ereignet, was über längere Zeit enorme Unruhe in das Gemeinwesen brachte. Augenblicklich
ist da alles in Schwebe. Wir haben daher bis zum nächsten Wahlausgang auch keine
Bürgermeister, sondern Regierungskommissäre, die im Übergang die Geschäfte führen.
Unser Lebensraum hat aber noch mehr an neuer Unklarheit zu
bieten. Die LEADER-Regionen der Steiermark sollen reduziert werden, die letzte
LEADER-Periode ist Geschichte, zur neuen (2014 bis 2020) kennen wir derzeit noch nicht
einmal die Regeln und Modi. Siehe dazu: "Gleisdorfer Umbrüche" [link]
Topographische Räume, politische Räume, Zeiträume, Denk-
und Möglichkeitsräume, wir haben mit diesem Themenkomplex reichlich zu tun. Es wird auf
dem Weg zum kommenden Kunstsymposion unter anderem darum gehen, eine praktikable
Arbeitsanordnung zu entwerfen, in der sich das Raumthema faßbar machen läßt
und uns Arbeitsergebnisse liefert, mit denen wir den aktuellen Lauf der Dinge besser
bewältigen.
-- [Raum] [Das Gleisdorfer
Kunstsymposion] --
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