10. Jänner 2015 Heute lese ich, daß drei der vier französischen Aggressoren getötet
wurden. Eine Frau ist derzeit noch auf der Flucht. Was waren ihre Anschlagsziele?
a) Repräsentanten kritischen Geistes
b) Polizeikräfte
c) Jüdische Leute
Das erscheint mir aufschlußreich. Sie haben
also symbolisch und physisch auf jene eingeschlagen, die
a) ihrem eigenen Denken etwas entgegenstellen können und das mit Esprit bis Häme tun,
die
b) als Exekutive und Repräsentanz des staatlichen Gewaltmonopols ihre Waffengänge
aufhalten können und die
c) als "das Judentum" ihnen für die Selbstdefinition durch Feindmarkierung
verfügbar sein müssen.
Ratlosigkeit als Domäne der
Wohlstandskinder (Quelle: Kleien Zeitung)
Die eine Attacke erfolgte in Paris, dem
Zentrum der Nation, die andere vielleicht zufällig, aber auf jeden Fall sehr
symbolträchtig, in Vincennes.
Vincennes ist der Ort nahe Paris, wo Denis
Diderot, ein Philosoph der Aufklärung, seine Gefängnisstrafe verbüßte, nachdem die
Regierung im Sommer von 1746 das Buch "Pensées philosophique" verboten
und seine Gegner es verbrannt hatten.
Womit haben wir es zu tun? Als vor Jahren die
Banlieues brannten, meinte viele unter uns, das seine eine französische Angelegenheit,
die uns hier nicht scheren müsse. Ich denke, das war ein Irrtum.
Ich kann mit dem Begriff "Parallelkultur"
nichts anfangen. Was ich über islamisch kostümierte Gewalttäter erfahre, läßt mich an
eine von vielen Subkulturen denken, wie sie zu Massengesellschaften gehören. Eine von
vielen. Unausweichlich. Was könnte eine Massengesellschafrt denn anderes sein als ein
Ensemble von Subkulturen?
Organisierte Gewalttäter ergeben Subkulturen,
die ihre speziellen Codes und Lebensstile entwickeln. Darin unterscheiden sie sich
prinzipiell noch nicht von Golf GTI-Fans, Taubenzüchtern oder Ballermann-Abonnenten.
Mich beunruhigt sowas erst, wenn es
menschliche Gemeinschaft massiv zu bedrohen beginnt, auch falls sich Organisationsniveaus
harausbilden, die auf einen Staat im Staat hinauslaufen. Ansonsten meine ich
aber, daß wir Subkulturen mit ihren Inklusions- und Exklusionsmodalitäten hinzunehmen
haben. Eine Massengesellschaft ist für mich, wie angedeutet, anders gar nicht
vorstellbar.
Conchita hat es gerade ins
Gleisdorfer Faschings-Sortiment
geschaft. Hilft uns das beim Verständnis von Subkulturen?
Was nun Frankreich angeht, diese ichschwachen
Kanaillen, die sich auf Kosten anderer so aufplustern mußten, sollen tadelloses
Französisch gesprochen haben, waren also offenbar autochthone europäische Muslime, waren
in Europa geboren und aufgewachsen: "Saïd und Chérif Kouachi werden als Söhne
algerischer Einwanderer auf dem rechten Seine-Ufer im 10. Pariser Arrondissement
geboren." [link]
Amedy Coulibaly war ebenfalls Pariser: "In
dem Artikel heißt es über Coulibaly, er stamme aus Grigny, einem Vorort südlich von
Paris. Er sei eines von zehn Kindern, der einzige Junge." [link]
Ich finde da also weniger ein "Islamproblem",
sondern eines von mehreren Subkulturproblemen, wie sie in Europa unausweichlich sind,
denn dieses pluralistische, multiethnische Europa war ja nie anders.
Noch konkreter: Europa ist seit
Menschengedenken multiethnisch und ein kontrastreicher Mix von ideologien,
Weltanschauungen, Religionen. Neu ist doch hier bloß die Feuerkraft der Knarren und die
Kommunikationstechnik. (Naja, ganz so neu auch wieder nicht. Der robuste Awtomat
Kalaschnikowa schießt nach einem Konzept von 1947.)
Dieses Europa hatte immer schon sein Maß an
Durchgeknallten, Anmaßenden, an Räubern und Macht-Ingenieuren. Aggressoren aus solchen
Lagern könnten auch Heavy Metal-Fans sein oder eine kühn gemixte
Privatmythologie haben, wie sie beispielsweise der Mörder Breivik erkennen ließ oder der
Mörder Franz Fuchs.
Der abendländische Herrenmensch
würde also gerne eine Art
kulturelle Sippenhaftung einführen (Quelle: Kleien Zeitung)
Ob sie im konkreten Fall nun pathologische
Fälle waren oder "Normalopathen", die zu weit gingen, mag für
Forensiker wichtig sein, dürfte für jene Spezialeinheiten relevant sein, die derlei
Killer stoppen sollen. Mich schert das wenig.
Jeder Laienblick auf solche Kanaillen ist
trügerisch und wenig aufschlußreich. Ich Laie denke mir etwa ganz pragmatisch, bei
diesen Jungs wußte man wenigstens sofort, woran man ist. Die Opfer von Jack Unterweger
sahen den Mörder nicht kommen. Verstehen Sie, was ich meine?
Ich denke, wir haben in einer
Massengesellschaft einen so und so hohen Anteil von Leuten unter uns, die das Zeug haben,
eine tödliche Heimsuchung zu werden. Davon sind unzählige unsere Landsleute. Sie heute
vor allem unter "Moslems" zu vermuten, wie in meinen Bubentagen unter
"Kommunisten" und wie davor unter "Juden" oder "Zigeunern",
das disqualifiziert sich von selbst.
Ebenso dümmlich erscheinen mir Forderungen
wie "die friedlichen Muslime" müßten sich da nun so oder so, vor
allem aber öffentlich "distanzieren" um einen
"Generalverdacht" zu vermeiden. Geht's noch? Davon kann sich nur ein Agent
der Blödheit etwas Nützliches versprechen.
Ich möchte annehmen, daß die Umma,
die Gemeinschaft aller Muslime sich längst mit einer Menge von Fragen und Anforderungen
befaßt sieht, die nach Debatten verlangen, zu denen ich eher nichts beizutragen hab.
Im vorigen Eintrag ist nur eine von mehreren
Listen genannt, die uns ermordete Journalistinnen und Journalisten in Erinnerung halten.
Sehen Sie sich die Namen und Länder an, es dürften sehr viele muslimische Leute darunter
sein: [link]
Ich frage mich viel dringender, was diese
Erfahrungen krimineller Revolten über uns aussagen und was uns nun gelingen sollte, um
den Spielraum für Mobsters wie Gewalttäter generell immer enger zu machen, ohne unsere
Länder zu Polizeistaaten umzubauen.
Was sind also zivilgesellschaftliche
Strategein und Praxismodelle, um solche Potenziale an die Kette zu bekommen? Was fällt
uns dazu ein? Wofür werden wir nun Verantwortung übernehmen, um dieses Europa zu
stabilisieren?
Damit meine ich die Frage nach den Intentionen
und Mitteln, mit denen wir, die Übrigen, die Erschrockenen, die Empörten, soziale und
kulturelle Barrieren errichten, die solchen Tätern etwas in den Weg legen.
[In der Ebene] |