8. Jänner 2015 Da kommt nichts auf uns zu. Was eben in den Redaktionsräumen von "Charlie
Hebdo" [link]
tödlich zugeschlagen hat, ist schon lange unter uns, kennt viele Dekors, spricht viele
Sprachen, hat eine universelle Kommunikationsform, die Gewalttätigkeit.
Es ist eine Selbsthilfegruppe patriarchal
geprägter Spießer, eine erprobte Männerkultur. Ob Täter vor dem Zuschlagen "Aallahu
akbar" oder "Oide, bring ma a Bier" rufen, halte ich für
völlig nachrangig. Der Biertrinker tötet dann eventuell mit bloßer Hand, ein erregter
Moslem hat mit der Feuerkraft seines automatischen Gewehrs einen auffallend größeren
Effekt.
"Ich bin Charlie"
Ich hab hier schon erwähnt, daß ich die Idee
einer "Islamisierung des Abendlandes" für Mumpitz halte. Wir haben,
wie sich zeigt, andere Sorgen. Wo sich ganz typische patriarchale Gewaltbereitschaft auf
so hohem Niveau organisiert und derart selbstversessen zuschlägt, wie eben gegenüber dem
Redaktionsteam des französischen Satiremagazin, sind wir offenkundig vom Regen in die
Traufe geraten.
Deutlicher ausgedrückt: Wir wohnen heute
zwischen der seit einer Ewigkeit und drei Tagen boomenden häuslichen Gewalt, der aktuell
gefärbten strukturellen Gewalt und den Waffengängen jener in Europa relativ jungen
Gewalt der Dschihadis.
Wie schon angedeutet, ich halte dabei das
Motiv "Islam" hauptsächlich für Dekor. Das ist ein Mäntelchen, ein
ideologische Kostüm, beliebig austauschbar. Unter solchen Hemden bleiben stets Eiferer
erkennbar, die uns aus der eigenen Ethnie bestens bekannt sind. Da tragen sie bloß andere
Kostüme.
Das gekrümmte, sich auf Knien windende Ego
stülpt sich gerne eine pathetische Redeweise über und macht sich mit gestreckten
Zeigefingern oder Armen scheinbar größer. (Kennen wir!) Diese Prediger zeigen uns
vertraute Posen. Wir haben sie etwa an den brüllenden Männchen der Nazi bestaunen
können.
(Quelle: ZDF)
Wie soll sich ein junger Mann, der in seiner
Gegend ökonomisch nichts werden kann, Sozialprestige erwerben, sich unter seinen Leuten
Ansehen verdienen? Da bewährt sich zum Beispiel Ideologie, kombiniert mit Pose. (Kennen
wir!)
Wer weiß, was Testosteron in einem jungen
Männerleib anrichtet, ahnt, wie gefährdet Frauen in der Nähe von erigierten Männchen
sind, wenn diese sich einer restriktiven Sexualmoral verpflichtet fühlen. (Kennen wir!)
Der Mangel an Verteilungsgerechtigkeit
zementiert jene Schieflagen, in denen sich Horden junger Männer bilden, die nichts werden
können und daher dringend Feindbilder brauchen, um sich emotional so zu ordnen, daß sie
auf irgendeine Art handlungsfähig bleiben, weil ihnen sonst -- zum Stillhalten gezwungen
-- alle Sicherungen fliegen würden. (Kennen wir!)
Der Mangel an Bildung und Übung in Reflexion
rüstet das Bodenpersonal für die Ideologen auf. (Kennen wir!) Ab da ist es schon völlig
egal, auf welche Schriften sich die Rädelsführer stützen, in ihren Posen, mit ihrer
blumigen Sprache, mit ihren gereckten Zeigefingern oder Armen, jene Kanaillen, die anderen
einen Tod schmackhaft machen, welchen sie selbst meiden. (Kennen wir!)
Freiheit macht Arbeit!
Als meine Leute ihren Opfern einst zynisch
ausrichteten "Arbeit macht frei", war schließlich für uns zu lernen: Freiheit
macht Arbeit! Die Abwertung von Wissensarbeit im Verzicht auf Wißbegier hat bei uns
derzeit Konsequenzen, die wir -- weich gepolstert -- ganz gut ertragen.
Wenn einzelne Intellektuelle irgendwo auf der
Welt hingerichtet wurden, Anna Politkovskaya, Hrant Dink (Wie lange ist die Liste denn?),
mußte uns das nicht scheren. Hier eine Liste, sie ist sehr lang: [link]
Wo Berichterstattung nichts kosten darf, wo
Meinungsfreiheit kein Gut ist, das verteidigt wird, wo Wissenserwerb als lästige
Anstrengung empfunden wird, ebnen wir der Tyrannis die Wege.
Was man über die Attentäter von Paris
momentan zu wissen scheint: Sie machten den Eindruck, als seien sie militärisch
trainierte Männer mit Kampferfahrung, die sehr effizient vorzugehen verstehen.
Solchen Kräften ist eine Zivilperson nicht
gewachsen. Dafür braucht der Staat, neben einem stabilen Gewaltmonopol, gut ausgebildete
und ausgerüstete Profis. Aber das Vorfeld solcher Ereignisse ist riesig. Dort können wir
handeln...
[In der Ebene] |