30. Dezember 2014 Was
mache ich bloß mit meinen Ansichten? Überdenken? Es war so heimelig, davon auszugehen,
daß buddhistische Leute ein Ausbund an Friedfertigkeit seien. Habe ich nicht bei Heinrich
Harrer über sein Staunen gelesen, daß die Tibeter beim Graben von Kanälen die
Regenwürmer wegtragen würden, um sie nicht zu verletzen?
[QUELLE: profil]
Und jetzt das in der letzten 2014er-Ausgabe des
Magazins profil. Mir wird aber auch nichts geschenkt. Ich muß über solche Dinge
stets grübeln. Manchmal tagelang. Dazu bin ich gestern um meine halbe Nachtruhe gekommen,
als ich las, daß Oliver Pollak mit einem Programm tourte, das trug den Titel "Jud
süß-sauer". Allein dieser Titel zwang mich mehrmals, scheinbar unbegründet zu
kichern.
Es reichen manchmal schon wenige Worte, um in mir einen
Gedankensturm auszulösen. Polak singt etwa das Lob der "tollen Frauen in
Israel", die seien "anspruchslos, können super mit Waffen umgehen, so
eine israelische Frau, die baut dir in nullkommanix ne Siedlung auf dem Nachbargrundstück
auf".
Und Schnee. Ich brauche ihn nicht und freu mich doch stets
ein wenig, wenn er ankommt. Diesmal geschah das knapp nach dem Weihnachtsabend. Zu
Weihnachten fällt mir heuer ein, daß ich akzeptieren muß, wie tief die Sonne des
Geistes im steirischen Literaturbetrieb stehen kann. Das hat ganz wesentlich mit meiner
Generation zu tun.
Da ich mir moderates Benehmen verordnet habe, erzähle ich
es möglichst zurückhaltend, ohne Namen aus meienr Umgebung zu nennen: Erinnern Sie sich
an "Dirty Harriet"? So wurde Gracie Hart von ihren Kollegen
genannt. Sandra Bullock gab im Jahr 2000 diesen Charakter in "Miss
Undercover" [link]
Seither ist eine wachsende Zahl harter Polizistinnen über die Leinwand gekommen. Sie
saufen, fluchen, verhauen manchmal Kerle oder fahren Autos zu Schrott.
Gracie ermittelt undercover im Milieu der
Schönheitsköniginnen. Die treten dabei vorwiegend als quietschende Püppchen auf, deren
wichtigstes Statement im Wunsch nach Weltfrieden daherkommt. So die
Standardantwort auf die Moderatorenfrage: "Was ist das Wichtigste für unsere
Gesellschaft". Genau! Weltfrieden.
Ergo haben die Demoisellen zu gesellschaftlichen Fragen
nichts, gar nichts zu sagen. Gracie paßt sich etwas an, variiert die Antwort allerdings: "Härtere
Bestrafung für Wiederholungstäter. Und... Weltfrieden." Man müßte ein Agent
der Blödheit sein, um das nicht als Satire zu erkennen.
Was las ich nun am 24. Dezember in der
vorliegenden Ausgabe der Kleinen Zeitung? Unsere oststeirische Königin der
Spießerkultur deponierte per Text Besinnliches, das hauptsächlich private
Angelegenheiten betrifft. Und sie endete offenbar ganz ernsthaft mit dem Wunsch... Weltfrieden. In unserem Metier, also in diesem heimischen Berufsfeld der
Kunstschaffenden, reden wir nicht darüber, daß es uns allenfalls noch teuer zu stehen
kommen könnte, wenn der Betrieb zu Dekorationsgeschäft verlottern darf. Was sind das
für redaktionen, die solchen Schmonzes zum Abdruck freigeben? Ich bleibe ratlos...
Wir haben einander nichts zu sagen, wollen einander
bestenfalls feiern. Dabei war das ein interessantes Jahr, denn im Nachdenken über 1914
und die Kräftespiele danach sind wir tief in alles verstrickt, was viele schon in den
Archiven der Geschichte wähnen. |
JUPP WIERTZ, 1920 |
Egal. In der Wahl der Themen und Diskurse
sind wir alle freigestellt. Kunstschaffende sollten keine Zurufe entgegennehmen. Also
lasse ich das so stehen. Übrigens. Stehen, gehen, fahren... Ich werde mich nun auch
trivialeren Stoffen zuwenden. Das Thema "Mobilitätsgeschichte: Eine Epoche
verstehen" ist ab nun hier gebündelt: [link]
Außerdem hoffe ich, Sie ahnen nun, was uns allen gut
täte. Ja, Sie haben es gewiß befürchtet: Weltfrieden! |