19. Dezember 2014 Eben
wurde mir eine Anwendung geboten, die verspricht: "Schluss machen mit den
falschen Freunden auf Facebook." Nun habe ich zwar kaum "richtige
Freunde" auf Facebook, denn der Personenkreis, den ich seit Jahren rund
um 400 Personen einzugrenzen versuche, handelt nur zu einem Bruchteil von Menschen, denen
ich persönlich näher verbunden bin
Jene Leute, die mir aufdrängen, daß sie gerade Nudelsuppe
essen, heute Abend mit ihrem Liebchen ausgehen werden oder morgen eine Darmspiegelung
absolvieren wollen, werden durch derlei Scheinintimität unter uns ohnehin nicht zu meinen
Freunden.
Die erwähnte Softwarelösung filtert mir nun unter meinen
Kontakten jene heraus, die gerne Helene Fischer hören, auch Nickelback scheint geächtet
zu sein, bei einem Kürzel wie PEGIDA mußte ich erst die Suchmaschine anwerfen. (Das sind
die offenbar romantisch gestimmten "Patriotischen Europäer gegen die
Islamisierung des Abendlandes".)
Dazu kommen einige politische Formationen, die zu "liken"
also für mich ein Anlaß sein möge, mich von diesen Menschen zu "entfrienden".
Ich kenne freilich diesen Impuls. Vor allem auf meinen Themenleisten zur
Mobilitätsgeschichte, wo etwa im Kontext Steyr-Daimler-Puch eine starke Allrad-Fraktion
besteht, von der sich Teile recht verhaltensoriginell zeigen, aber auch in der Moped-Liga
immer wieder Leute auftauchen, deren Ansichten ließen sich mit jeder Diktatur gut
vereinbaren.
Da sticht mich stets etwas, wenn ich's bemerke. Aber nach
solchen ersten Reaktionen fällt mir dann auf: Ich möchte doch lieber nicht das Denken
von Menschen darauf hin durchforsten, was da für Ansichten dingfest gemacht werden
können, die meinen entgegenstehen, um diese Menschen dann aus meiner Nähe zu verräumen.
Ich möchte noch viel weniger, daß es irgendeiner Software
anvertraut sei, Menschen in meiner Umgebung auf solche Kontraste hin zu überprüfen, um
dann zu selektieren, wer näheren Umgang mit mir haben soll und wer nicht.
Ein heute schon sehr antiquiert wirkender Begriff dafür
lautet "Gesinnungsschnüffelei". Das möchte ich mit meinem Verstand
nicht betreiben. Ich will es schon gar nicht einem Maschinensystem übergeben, das für
mich im Denken anderer Leute herumschnüffelt.
Allein der Hinweis, man könne sich ein "Spionage
Tool" bauen, sollte zu denken geben. Das Ausspionieren meiner Mitmenschen, um
sie auf ihre Ansichten hin zu ordnen, um dem diese oder jene Auswahl folgen zu lassen,
halte ich für sehr problematisch.
Ich habe kein Sympathie für Menschen, die etwa ihre Autos
mit obszönen Gewaltphantasien dekorieren und das für einen Beitrag zu irgendeiner
Lösung von Problemen halten. Es fällt mir schwer, mir von liebenswürdigen Leuten
antisemitische Statements anzuhören.
Ich hab immer wieder Probleme, dem neuen Erstarken eines
völlig abstrusen Nationalismus a la 19. Jahrhundert zuzusehen, ohne gleich aktiv zu
werden. Aber darin liegt eben auch eine außergewöhnliche Herausforderung, eine individuelle
Kultur der Einwände zu entwickeln.
Ich finde es unverzichtbar, Einspruch zu erheben, wo die
Menschenverachtung sich äußert. Aber ich kann und will nicht wie eine Plappermaschine
durch das Meer meine Mitmenschen pflügen und jedes Mal laut werden, wenn ich solche Dinge
höre.
Daß eine Spionage-Software mein Umfeld bearbeitet und die
Menschen nach ihren Vorlieben, nach ihren Ansichten selektiert, erscheint mir vollkommen
unerträglich. Außerdem möchte ich mich durchaus in der Nähe jener aufhalten, die
völlig anderes denken als ich.
Nebenbei verspreche ich mir gar nichts davon, daß ich Teil
einer völlig "gleichgesinnten", womöglich "gleichgeschalteten"
Community wäre. Das, hinaus über vertrautes Maß eigener Vorlieben und Affinitäten im
Umgang mit Menschen, wäre seinerseits Ausdruck einer Geisteshaltung, wegen der ich mich
womöglich von mir selbst "entfrienden" müßte... |