24. November 2014 Sie
haben sich beim Krankwerden Zeit gelassen? Dann machen Sie es gefälligst bei der Genesung
wieder gut! Aber zackig! Naja, so werden es die Anbieter nicht gemeint haben. Doch es ist
mindestens Chuzpe, wahrscheinlich ein gutes Stück Obszönität, wenn im Ringen um
Seelenheil(ung) mit solchen Motti geworben wird:
[QUELLE: WOCHE]
Es soll also einen "neuen Weg" geben.
Und warum möge der Ausgang aus individuellem Leiden mit einer "hochwirksamen"
Methode derart heftig angepackt und "extrem schnell !" erledigt
werden? Ich weiß natürlich, Schmerz möchten die meisten Menschen möglichst schnell los
werden. Das zieht also.
Doch selbst der Hausverstand könnte einem flüstern, daß
in solchen Angelegenheiten, einige der möglichen Leiden werden ja genannt, allein schon "schnell"
ein bedenklicher Kur-Modus wäre, "extrem schnell" klingt da wie
mit einem Mofa 150 fahren..
Wo Verwertungslogik uns solche Art von
Effizienzverliebtheit vorgaukelt, lautet die eigentlich Botschaft mutmaßlich: "Hier
wird Sie geholfen und kostet nicht viel, wir haben schnell fertig."
Wenn Marktlogik so ungeniert in unser Innerstes vordringen
darf, ohne Rücksicht aufs Bewußte, denn es schmeckt ja etwas schal, denn sollte solcher
Marktschreierei auch noch ein besonderes Sätzchen angefügt werden: "So leisten
Sie mit sparsamen Mitteln einen wichtigen Beitrag zum Weltfrieden."
Haben wir's jetzt? Ich muß mich nämlich wieder
trivialeren Dingen widmen. Dienstlich hat mich ein großes Stück Verwaltungsarbeit im
Maul. Es ist ein sehr komplexes Arbeitsjahr abzuschließen, was meint: Nach viel Arbeit
mit höchst unterschiedlichen Finanzierungsmodellen sollen alle Abrechnungen stimmen und
müssen alle Berichte auf den Tisch.
Das soll auf eine Weise geschehen, in der einem emotional
höchst unterschiedlich gestrickte Kooperationspartnerinnen und -partner nicht ein letztes
Adieu zurufen. Denn wahr ist, bei der Buchhaltung kenne ich keinen Spaß. Und wer
mir gemachte Zusagen bricht, lernt an mir die häßlichsten Seiten eines übergewichtigen,
leicht reizbaren Menschen kennen, der in seinem Herzen nie ein Pazifist gewesen ist.
Ach, so manches Herzchen raunte mir schon zu: "Ich
bin Künstler, kein Geschäftsmann, ich kann mich darum nicht kümmern." Sie
ahnen meine Antwort? Bin ich vorerst noch konziliant gelaunt, lautet diese Antwort meist: "Werd
erwachsen, Arschloch, bring Deinen Job zu Ende und such Dir dann einen geschützten
Arbeitsplatz, aber bürde mir gefälligst nicht Deine Drecksarbeit auf."
Falls Sie eine bessere Kinderstube genießen durften, als
sie mir gegönnt war, darf ich Ihnen einen der Gründe verraten: Wie viele Gedichte habe
ich nicht geschrieben, wie viele Projektschritte in meinem Oeuvre nicht vollzogen, weil
ich irgendwelchen zickigen Wohlstandskindern helfen mußte, deren Part fertigzukriegen,
während die an ihrem Werk weitergefieselt haben?
Warum ich das notfalls tue? Weil ein einziger unseriöser
Vollpfosten genügen kann, um a) ein Projekt zu kippen und b) Financiers zu verprellen,
denn wer Geld übrig hat, um es etwa in Kunstprojekte zu investieren, versteht was vom
Wirtschaften und hat meist wenig Mitgefühl mit unprofessionellen Leuten, die deren Geld
verbrennen.
Man ruiniert sich also die eigene Geschäftsbasis, wenn man
sich einen Vollpfosten einfangt und dem dann beim Abwirtschaften tatenlos zusieht.
Nun, die Kunst und die Befassung mit immateriellen Gütern,
ja, fein! Da bin ich auch gerne dabei. Gelegentlich muß ich Leuten in meinem Metier
allerdings erklären, was der Unterschied zwischen einem Sponsor und einem Mäzen ist.
Der Mäzen gibt, er übergibt Ressourcen, Geld, was auch
immer, um die Kunst zu fördern, ohne daß er dafür einen Leistungsaustausch vereinbart.
Der Mäzen gibt um der Kunst willen oder um konkreter Kunstschaffender willen, vertrauend,
daß diese Gabe Früchte trägt. Er fordert keine Gegenleistung, außer eben etwas Futter
für seine Hoffnung.
Der Sponsor gibt, um etwas Bestimmtes zu erhalten. Er macht
einen Deal, der von einem Leistungsaustausch handelt. Meinetwegen nehmen wir an, daß es
auch diverse Mischformen gibt. Aber im Kern sind dann immer noch sehr viele triviale
Arbeiten zu erledigen, damit die beflügelnde Befassung mit der Kunst Raum und
Möglichkeiten bekommt.
Da werde ich emotional zum angetrunkenen Wikinger, wenn mir
jemand seine Trivial-Arbeit aufbürdet, um auf meine Kosten Raum zur eigenen Beflügelung
zu gewinnen. Ich hab immer so eine moderne Taschen-Streitaxt in der Tasche, die läßt
sich blitzschnell auspacken, um notfalls eine Bresche zu hauen. So ist das mit uns
angetrunkenen Wikingern. Wir sind mühsam zivilisierte Wesen, deren Unmut an dünner Kette
hängt.
Aber mein Hausverstand flüstert mir gerade, ich sollte
düsteren Gedanken in mir nicht so viel Platz lassen. Da es draußen grade trüb und
regnerisch ist, was man den letzten Novembertagen nicht übelnehmen kann, ist ein
Lichtlein nötig; und sei es bloß frischer Kaffeeduft, gewissermaßen ein
Emotionen-Lichtlein, das bei mir meist so wirkt, wie die eingangs behauptete
Therapiekompetenz: Hochwirksam und extrem schnell. |