25. Oktober 2014

Ich hätte es gerne deutlich weniger anstrengend gehabt. Es hat wohl gar nicht anders daherkommen können. Wenn Wünsche in Erfüllung gehen, erfährt man eben gelegentlich, daß man mit dem Wünschen etwas zu kühn gewesen ist.

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Wir haben gestern die vorletzte Station unseres heurigen Kunstsymposions absolviert. Eine Ausstellung [Mira, Study for a Portrait] läuft noch, eine Konferenz [link] liegt noch vor uns. Dann ist diese Geschichte erst einmal abgerundet.

Der Blick zurück, quer durch das 20. Jahrhundert, sollte uns eine Vorstellung vermitteln, wohin uns dieses Kräftespiel gebracht hat, dessen Auftakt wir mit den Schüssen von Sarajevo (1914) markiert haben, dessen Beginn ich aber eher im Berliner Kongress von 1878 sehe.

Die Tyrannis, der Rassenhaß, nationalistische Fehlleistungen prägen dieses Europa bis heute. Der Antisemitismus erweist sich dabei als durchgehend roter Faden, der nie verblaßt ist.

In Österreich durften wir gesamt eine Sicherheit genießen, die weltweit kein allgemeiner Standard ist, überdies eine geborgte Sicherheit, denn wir haben nur in beschränktem Maß selbst dafür gesorgt.

Gut, gerade in der Kunst muß man nicht müssen und die Kulturpolitik kann uns nichts vorschreiben. Aber ich finde es ein wenig gruselig, daß mir in jüngerer Vergangenheit hier vor allem Leute aus Politik und Verwaltung auffallen, die sich darauf einlassen, neue Optionen zu erwägen, die eigenen Rollen zu überprüfen, neue Modi ins Auge zu fassen. Vergleichbares finde ich unter Kunst- und Kulturschaffenden der Region kaum. Aber kurz zurück zu den Kindern und den Opfern der Tyrannis.

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Rechts auf dem Foto der bosnische Autor Muhidin Saric. Ein Überlebender jener serbischen Tötungsmaschine, die in den 1990ern im Raum Prijedor unter anderem der Auslöschung einer bosnischen Intelligenz gewimet war. Solche Vorkommnisse reichen also an uns jederzeit heran.

Das ist eine Szene während der Vernissage einer serbischen Künstlerin (Jelena Juresa), die in ihrer komplexen Arbeit die Geschichte einer jüdischen Familie quer durch das letzte Jahrhundert zum Thema gemacht hat.

Was könne einem an diesem Setting auffallen? Was haben wir derzeit zu tun und was ist zu klären? Im Kern unseres guten Lebens steht der Gewaltverzicht, den wir uns so organisiert haben, daß wir dem Staat ein Gewaltmonopol einräumen, während privaten Personen die Gewaltausübung untersagt ist.

Sind wir damit klar? Und wie verhält sich das zu einer Populärkultur, die zeitgemäße Varianten des Ideals eines "soldatischen Mannes" auf immer neuen Stand bringt? Und zwar als allgemein verbindliches Männerideal, das seine smart gemachten Variationen "ziviler Krieger" hat.

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Wo bearbeiten wir die kulturellen Codes und populären Erzählweisen unserer Gegenwart? Wer arbeitet daran? Sind wir das? Wir, Kunst- und Kulturschaffende, die Ansprüche auf öffentliche Gelder erheben. Was gedenken wir einzulösen, wo wir Ressourcen aus öffentlicher Hand für unsere Arbeit beziehen?

Es verursaht mir Unmut, daß in unserem Metier nicht nur einzelne Personen inzwischen eine ostentative Ichbezogenheit pflegen, sondern nach meinen aktuellen Erfahrungen auch Kollektive, Kulturinitiativen, die Pose der zickigen Madonna übernommen, auf sich selbst übertragen haben, deren selbstreferenzielles Vorgehen sie alles an erreichbaren Ressourcen für sich brauchen und verbrauchen läßt.

Das halte ich für alarmierend. Nicht aus ethischen oder moralischen Gründen, sondern ganz pragmatisch, weil genau solche Attitüden uns allen die Fundamente der Kultur- und Wissensarbeit erst beschädigen, dann entziehen.

Wir haben diesen Herbst eine dichte Serie von Konferenzen absolviert. Einiges an Reflexion darüber ist hier zusammengefaßt: [link] Was mir dabei am meisten abgegangen ist, war die Präsenz von und das inhaltliche Mitgestalten durch regionale Kunst- und Kulturschaffende.

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Muß ich annehmen, daß sich hier grade ein ganzes Milieu mit seiner möglichen Wirkung in der Regionalentwicklung selbst abschafft? Haben wir also erst einmal die Kunstdiskurse ausgeschlagen, um es Politik und Wirtschaft zu überlassen, für uns zu klären, was Kunst sei? Sind wir nun auch aus den kulturpolitischen Diskursen ausgestiegen?

Ich werde mit meinen Schlüssen einige Zeit zurückhaltend und vorsichtig bleiben. Klar scheint mir allerdings, daß dieses Jahr mit seinen Ergebnissen uns noch bestärken muß, eine "Kulturgießkanne" abzulehnen. "Für alle ein bißl was" wäre verbranntes Geld, eine nutzlose Investition in die ganz privaten Partikularinteressen einzelner Personen.

Ohne themenbezogene Arbeit, in der Menschen unter anderem zeigen, daß sie der Bearbeitung relevanter Themen gewachsen sind, scheint mir die Investition öffentlicher Gelder extrem problematisch. Was denn nun relevante Themen seien, möchte ich verhandelt sehen. Das sollte im öffentlichen Diskurs vorkommen.

Das heißt auch, ich fechte jene an, die öffentliche Gelder und Ressourcen für sich reserviert sehen wollen, um damit bestenfalls Selbstrepräsentation mit eher mäßigen künstlerischen Mitteln zu betreiben. Das sollte der Markt leisten könnte, sollte hauptsächlich aus privaten Schatullen finanziert werden...

--  [Das Kunstsymposion 2014] [Generaldokumentation] --

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