1. Oktober 2014 Ich
muß es ausdrücklich so nennen: Sprachgewalt. Das ist das Vermögen von Schranz.
Mich stört alles, was die Präzision und Dichte seiner Texte zur irgendetwas
Homöopathischem schüttelt und verdünnt.
Gestern also: "Kleiner Pelz StrichCode Suada"
[link] im Rahmen des Festivals steirischer herbst. Erst eine
Reihe von Anweisungen und Erklärungen. Da hatte ich den Impuls: Man sollte aus dem Forum
Stadtpark ein Getränkelager machen. Dann der Zugang. Davor hatten wir davor
gestanden. Vor dem Haus, wo uns der milde Herbst zum Glück kein grimmiges Wetter
zumutete.
Wir hätten ja vielleicht auch im großen Ausstellungsraum
empfangen werden können, der gerade von Leere dominiert ist. Aber wir waren in die Nacht
gebannt, wo man erklärte: Keine Drinks vor der Veranstaltung und während der
Veranstaltung. Kein Kommen und Gehen. Begrenzte Sitzplätze. Auf daß man das konzipierte
Hörerlebnis entsprechend...
Wer im ersten Durchgang keinen Platz findet, wird nach
deren Ende und einer Pause von einer Stunde (!) eine zweite Vorstellung erleben können,
hieß es. Dafür laufe das Hörspiel im späteren Lauf der Woche stündlich.
Armer Helmut Schranz, dessen preisgekröntes Hörspiel
darin seine erste Bedrängung erfuhr. Die zweite folgte im Keller der Hütte, aber
darüber werde ich mich nun nicht weiter auslassen. Ich fand gerade einmal zwei radikale
Wesen auf dem Set, ihn, Schranz, und die Autorin Sarah Fötschl, in der etwas wütet, von
dem ich keine Vorstellung habe.
Immerhin war ich mit Autor Stefan Schmitzer kurz in eine
Erörterung kulturpolitischer Fragen geraten und das hätte ein interessanter Moment
werden können. Aufschlußreich war er unbedingt. Schmitzer warf mir einen Begriff zu, der
offenbar sehr gut zusammenfaßt, was den Zustand des Grazer Kunstbetriebes ausmacht.
Es scheint mir ein esoterisches Konzept zu sein, das
jemanden "repressive Toleranz" annehmen läßt. Was könnte damit
gemeint sein? Schmitzer erläuterte: "Ich kann sagen, was ich will, weil es eh
nichts nützt."
Eine geradezu schockierend apolitische Position. Sie setzt
eine Art Souverän voraus, der mir gütigst Gehör schenken sollte. Falls er mir
das erlaubt, darf ich ihn für tolerant halten. Falls es aber ohne Nutzen bleibt, muß ich
eine repressive Intention des Souveräns annehmen.
Ich fragte grade noch: Und wenn all das so wäre, daß
mit der Politik nichts zu verhaneln sei, was ist das, wofür wir selbst Verantwortung
übernehmen? Was ist das, was wir auf jeden Fall sicherstellen, egal, ob mit oder ohne
gehör der Poltik?
Eine Antwort hab ich nicht erhalten. Sollte ich eine
zeitgemäße Version von Untertanen skizzieren müssen, das wäre ein Bild meiner Wahl:
Ein kühn fühlender, aber tatenloser Rebell, der unter "repressiver
Toleranz" leidet. Manchmal bricht ein "Empört Euch!" aus ihm
hervor, aber auch das wird nur geduldet und bleibt ohne Folgen. Oder, um es mit Ringelnatz
zu sagen, "Ich bin ein armes Zwiebelchen, Nimm mir das nicht übelchen."
Dieses ganze Ding an Rahmenbedingungen hat Schranz nicht
verdient. Das Forum Stadtpark recyclet sich selbst. Als mir das über dieses
Lineup klar wurde, hab ich jemanden fast umgerannt, während ich die Kamera zückte und in
Position ging. Dieses Bild wollte ich behalten. Von links: Forum-Chefin Heidrun
Primas, Herbst-Intendantin Veronica Kaup-Hasler und Altmeister Emil Breisach.
Alles wohlgeordnet und bis in den Hörspielablauf
reglementiert. Artig! So könnte man unzweideutig konstatieren. Das Unbändigste, was ich
gestern zu sehen bekam, war die Garderobe einiger junger Männer. (Man sollte aus der
Hütte ein Getränkelager machen.) |