30. September 2014

Es liegt für mich ein eigentümlicher Zauber im Abbauen einer Ausstellung und im Verpacken der Exponate. Der wichtigste Moment ist mir dabei ein Blick auf die gestapelten Stücke, wie sie zum Abtransport bereit liegen.

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Das ist insofern untypisch, als ich nicht gerade rasend zum Ordnen materieller Dinge neige. Doch eine Station, in der so viele Denk- und Arbeitsprozesse zusammengeführt wurden, die sich dann im erfahrbaren Werk eines Kollegen, einer Kollegin ausdrückt, muß in meinen Arbeitsabläufen so einen präzise markierbaren Punkt haben.

Ansonsten würde das alles überschießen, heillos difussieren, mir ein nächstes Bündeln der Gedanken und Arbeitsschritte enorm erschweren. Obwohl ja das größere Ganze ein laufender Prozeß ist, müssen die einzelnen Stationen ihr deutlich wahrnehmbares Ende haben. Hier die Arbeiten von Radenko Milak:

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Nun laufen die Vorbereitungen für die zweite Kunststation dieses Symposions. Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov wird mit Jelena Juresa das Museum in prozeßhaften Schritten zu einem Ort von "Mira" wandeln: [link]

Dabei ruhen meine Pflichten etwas und ich kann beginnen, mich zwischendurch wieder eigenen Vorhaben zu widmen. Das wird mich unter anderem demnächst an einen Ort bringen, wo ich in den 1970er-Jahren meine überhaupt erste Ausstellung hatte und auf höchst romantische Art eine erste Zuflucht, um als Dichter zu leben.

Schloß Freiberg war damals im Winter noch von der Umgebung weitgehend abgeschnitten, weil die Straße zeitweise unbefahrbar blieb. Das Schloß war damals ein Ort der Musikszene, aber auch der bildenden Kunst. Es dominierten Jazz, Blues und Folk. Mit meinem massiven Hang zur Literatur war ich dort eine Nischenexistenz, denn die Literatur hatte ihren primären Ort im Grazer Forum Stadtpark.

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Was ich in Freiberg aber an Lektionen im Blues erhielt, erwies sich später noch als gewichtig. Aber das sind Histörchen, die heute keinen besonderen Vorrang mehr haben. Nun bringt mich eine Einladung an diesen Ort zurück. Was Markierungen von 1977/78 waren, ist dort nicht mehr auffindbar.

Aber die Stube, in der ich damals viel Zeit verbrachte, ist nach wie vor zugänglich, heller als einst. Winfried Lehmann hat mich eingeladen, kommendes Frühjahr dort in seinem Vorhaben mitzuziehen, Hausherr Ewald Ulrich scheint geneigt, mir den gewünschten Raum dafür zu öffnen: [link]

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Also werde ich eine Station von "The Long Distance Howl" auf so eine Spur zurückführen. (Da fehlt nicht mehr viel auf einen Bogen von 40 Jahren.) Die passende Situation für ein neues Kapitel: "The Track: Pop" [link] Ich werde dabei auf die Option "Wunderkammer" setzen. Ein nächster Bruch mit den Ritualen und Ordnungsprinzipien des aktuellen Kulturbetrietriebes in der Region.

Ich hab erst vor einigen Tagen wieder die Frage gehört: "Krusche, was ist eigentlich dein Werk?" Wie merkwürdig, daß ich seit Jahrzehnten fast Tag für Tag daran arbeite, aber es kommen solche Fragen auf. Freilich kann ich mich nicht damit befassen, anderen zu erklären was es sei und wo es sei, weil mich die Arbeit am Werk selbst mehr als auslastet.

Ich kann auch keine Zeit aufwenden, irgendwem die Bedeutung geistiger und emotionaler Prozesse zu erläutern, die zu einem Work in Progress führen, worin auch andere Menschen einbezogen sind, um gesamt ein Ereignis der Kunst zu ergeben, das nicht mehr hauptsächlich einer Person zugeschrieben werden kann. (Wem müßte ich die Option erläutern, die singuläre Autorenschaft ausschließt?)

Einerseits fehlt mir die Lust zu solchen Erklärungen, andrerseits würde ich damit meine grundlegenden Modus beschädigen. Eindeutige Autorenschaft mit Werkpräsentationen im White Cube, wobei eingeführte Rituale das Setting bestimmen, tut mir sehr leid, das kann ich nicht anbieten. Ich brauche die Möglichkeit, all diese Varianten zu mischen.

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Apropos Wunderkammer! Mein jüngeres Interesse daran ist sehr mit dem Sammler und Weltreisenden Emil Gruber verknüpft. Bei ihm findet man ähnliche Stapel wie bei meinen Ausstellungs-Enden. Es gab 2014 einen Moment, der mit Momente des "Avantourismus"
(Wechselnde Hintergünde der Strecke) überschrieben war: [link]

Das ereignete sich mit Gruber und Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov IN einer Wunderkammer, nämlich der Gruber'schen, als wir gerade dabei waren, die "Kollektiven Aktionen" aus Moskau bei uns zu haben und mit ihnen auf meine Strecke zu gehen: [link]

Man möge mir nachsehen, daß diese etwas aufwendigen Prozesse für eine Beantwortung der Frage "Krusche, wo ist dein Werk?" keine Zeit lassen. Ich kann überdies an keiner Erörterung teilnehmen, die so tut, als hätten Duchamp, Beuys, Cage und Warhol weder gelebt noch gewirkt.

Im Jahrhundert nach deren Präsenz und Wirkung solle eigentlich verstanden werden, was eine Kunstpraxis bedeutet, die in der Provinz zu einigen neuen Situationen geführt hat, wie hier nun Sach- und Machtpromotoren sich zur Gegenwartskunst stellen, was ja auch längst Konsequenzen zeigt, die sich etwa in Konzepten der Regionalentwicklung niederschlagen.

Da sollte ich also nicht erst etwa meine bescheidenen Anstrengungen als Lyriker geltend machen müssen, um mit einer zeitgemäßen Kunstpraxis assoziiert zu werden. Und wo denn das nun alles ist, ließe sich so bescheiden: Direkt vor Ihrer Nase. Aber es wird niemanden geben, der Sie an dabei der Hand nimmt. Falls Sie es nicht finden können oder derzeit nicht finden wollen, auch gut. Das geht mich nichts an.

Post Scriptchen:
Was eine "Wunderkammer" ist, mag nun auch nicht allen Kulturinteressierten Klar sein. "Im Ruf des unwissenschaftlichen Sammelsuriums standen die Wunderkammern noch bis weit in das 20. Jahrhundert, wozu wohl auch epigonale, nahe mit Zirkus und Freakshow verwandte Erscheinungen wie das American Museum des P. T. Barnum und das Odditorium von Robert Ripley nicht wenig beigetragen hatten." Quelle: Wikipedia, "Wunderkammer"

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