6. September 2014 Wenn
ich an einer sehr komplexen Sache baue, kommt immer, unvermeidlich immer, der Punkt, an
dem ich der ganzen Sache nicht traue. Als wäre nicht zu glauben, daß es funktionieren
kann. Die praktische Erfahrung über Jahre hält dagegen: Es hat noch immer funktioniert.
Wir sind gerade mit jenen anschließenden Handgriffen
befaßt, die zu einer Veranstaltungseröffnung hinführen. Daß wir den Blick auf 1914
richten und und einen adäquaten Beitrag zur Rückschau auf die Schüsse von Sarajevo
erarbeiten, hatte seinen Auftakt im Dezember 2011.
Mit einer kleinen Liste erster Fragen begann die
Annäherung an dieses Vorhaben, von dem klar war, wir würden den Dialog mit Leuten aus
Bosnien und Serbien suchen, um auf das 2014er-Jahr angemessen zuzugehen. Das 1er-Memo
als PDF: [link]
Das meint, wir würden unseren Beitrag nicht bloß aus
österreichischer Sicht entwickeln, sondern uns mit Kunst- und Kulturschaffenden dieser
Länder darüber verständigen. Damit sollten zwei Positionen ihre Konturen erhalten. A)
Die Beziehung einer kleinen Kulturinitiative der Provinz zu diesem großen Thema. B) Und
die Beziehung österreichischer Sichtweisen zu jenen unsere südslawischen Nachbarn.
Zugleich war klar, es geht auch um Optionen der Kunst, um
die Anwendung künstlerischer Mittel. Folglich waren über die letzten Jahre einige
Arbeitsschritte und Akzente nötig, um dieser prozeßhaften Annäherung Wegmarken zu
verschaffen.
Das hat unterwegs zu allerhand Verzweigungen geführt. Wir
sind etwa in kulturpolitische Fragestellungen hineingegangen. Gerade die jugoslawischen
Kriege der 1990er-Jahre haben für Europa belegt, daß ein "Nie wieder!"
nur so viel hält, wie eine ausreichende Zahl an Menschen ein entsprechendes geistiges
Klima sicherstellt.
Was das meint? Darüber wissen wir heute genug. Jedem
Massaker ging ein Krieg der Worte voraus. Bevor großes Töten beginnt, haben wir
zugelassen, daß Mitmenschen in unseren öffentlichen Diskursen zu "Gegenmenschen"
umgedeutet werden.
Ich kann den gesellschaftlichen Mechanismus
in einen sehr kurzen Satz packen:
Gleichgültigkeit tötet.
Wir erleben aktuell, daß rund um die Welt Gewalt in einem
Ausmaß eskaliert, wie schon lange nicht mehr an so vielen Orten gleichzeitig. Staatliche
Gewalt ebenso wo privater Terrorismus. Ich verfolge die teilweise sehr ratlosen Reaktionen
von Menschen, welche via Medien all das erfahren, sich konsterniert fühlen, auch weil sie
sich machtlos fühlen.
Wir sind nicht machtlos. Es ist bloß ausgeschlossen, daß
wir individuell auf die ganze Welt oder einzelne Ländereien zugreifen. Das ist auch gut
so. Ich möchte nicht sehen, daß noch mehr einzelne Personen auf ganze Staaten zugreifen
können, wie das ohnehin schon in erschreckendem Ausmaß geschieht.
Wir sind zu anderen Mitteln gefordert und darin zur
Kontinuität. Ich kann der Menschenverachtung dort entgegentreten, wo ich gerade stehe.
Keine große Sache. Kein lautes Ereignis. Eine individuelle Verantwortung.
Wenn das aber viele Menschen tun, bestehen und wachsen
Nischen, von denen etwas ausgeht. Von dort aus können zum Beispiel jene
gesellschaftlichen Prozesse gebremst, sogar blockiert werden, in denen Mitmenschen zu
Gegenmenschen umgekupfert werden. Es kann die tödliche Gleichgültigkeit von anderen
Kräften gewendet werden.
Das ist übrigens einer der Gründe für konsequente
Wissens- und Kulturarbeit. Aus solchen Zusammenhängen stehe ich gegen jene Borniertheit,
in der Wohlstandskinder mir ausrichten möchten, die öffentlichen Gelder für Kunst und
Kultur seien Verschwendung.
Da habe ich jenen einiges zu erwidern, die den Staat vor
allem als Selbstbedienungsladen sehen und in den möglichen Annehmlichkeiten nicht
behelligt werden möchten, wobei ja das eingangs erwähnte geistige Klima mit
enstprechenden öffentlichen Diskursen stört...
-- [Generaldokumentation] [Das Kunstsymposion] --
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