23. August 2014 Das
gefällt mir natürlich. Die Rostfestler haben in Eisenerz eine riesig Komatsu-Mulde
an die Hauptstraße gestellt. So weiß man, wenn man den Berg runterkommt, auf welcher
Höhe in der Stadt das Rostfest läuft.
Als ich heute gegen 6:00 Uhr morgens aus der Stadt wieder
rausfuhr, waren da immer noch die schweren Bässe der Nacht zu hören und verstreute
Nachtschwärmer suchten offenbar nach ihren Schlafplätzen.
In Vordernberg war dann schon fast das Tageslicht da. Wir
hatten tags zuvor eine Gesprächsrunde absolviert, bei der eine "Diskussion über
die Zukunft der Kultur im ländlichen Raum" anstand.
Das war zugleich ein Vorbote der Konferenzreihe in
unserem Kunstsymposion. Da wird es am 18. September einen einen speziellen Rostfest-Schwerpunkt
in einer Kunstkonferenz geben, denn die Eisenerzer Situation ist ja noch ein wenig
radikaler als unsere: [link]
Derlei Meetings haben immer eine Falle in sich, die zu
übersehen fatal wäre. Sobald du fünf Leute auf die Bühne setzt, von denen auch nur die
Hälfte gelaunt wäre, Redezeit darauf zu verwenden, unseren Kummer auszubreiten, fährt
die Sache all zu leicht in den Graben der Larmoyanz. Und von dort kriegst du meist keinen
Karren mehr richtig flott.
Können wir festhalten, daß wir schwierige Berufe gewählt
haben? Also zum Beispiel Kulturarbeiter. Oder Künstlerin. Und wird beides kombiniert,
gehört Kummer zum fixen Inventar. Aber wie viele Professionen kennzeichnet das ebenso?
Anders ausgedrückt: So ist die Hackn eben. Der
Preis für ein so hohes Maß an Selbstbestimmung läßt sich in Euro darstellen; in
Beträgen, die wir meistens eben nicht hereinwirtschaften.
Wir leben in spannenden Zeiten. Das war angeblich im alten
China ein Fluch. Wir erleben eine tiefe Krise der Verteilungsgerechtigkeit, weshalb dem
Gemeinwesen hinten und vorne Geld fehlt. Dabei erscheint es manchem politischen Personal
populär, die Kofinanzierungen für Kunst und Kultur zu kürzen oder gar zu streichen. Und
daß, obwohl gerade hier kaum eine günstigen Effekt im Budget zu erzielen ist, selbst
wenn man auf Null runterkürzen wollte. Weshalb?
Das Kulturbudget der Steiermark macht keine zwei Prozent
des Gesamtbudgets aus und davon bleiben drei Viertel im Zentrum Graz. Die meisten Kommunen
des Landes wenden nicht einmal ein halbes Prozent ihres Budgets für Kultur auf.
Was sollen da also Kürzungen konkret bringen? Das ist nur
Betroffenheitsgymnastik, nichts sonst. Populistische Rhetorik.
Wir haben demnach von Kofinanzierungen zu reden,
von geteilten Lasten für konkrete Inhalte, deren Umsetzung nicht bloß wir wichtig
finden, für deren Umsetzung wir Verbündete suchen, Kooperationspartnerinnen und
-partner.
Kunstpraxis und Kunstproduktion sind freilich darin ein
eigenes Kapitel. Egal, ob wir um öffentliche oder private Gelder verhandeln, die Inhalte,
denen diese Gelder gewidmet werden sollen, müssen klar benennbar sein.
Kunstproduktion ist noch nicht Kunstvermittlung und
Kulturarbeit. Sozialarbeit hat ganz andere Agenda. Und was die in der Provinz
dominierenden Voluntaries erwarten, fordern, steht auf einem übrigen Blatt.
Voluntary Arts als sozial intenderte Kunstpraxis,
das ist ein völlig anderes Genre als die Gegenwartskunst. Aufgabenstellungen, Ziele und
Strategien der Umsetzung unterscheiden sich weitgehend.
Können wir also einander klar machen, wovon wir gerade
reden, wenn wir über Detailfragen der Kulturpolitik reden? Luis Fidlschuster fragte in
der Runde ganz zurecht: "Wer ist wir?" Genau! Welche Professionen
treffen sich also auf diesen Feldern der Kulturarbeit in der Provinz? Was bezeichnet der
Begriff "Szene" und wer sind dabei die konkreten Akteurinnen und
Akteure?
QUELLE: KULTURSERVER STEIERMARK
Ein Beispiel: Als Gerfried Tiffner vorgestellt wurde und es
hieß, er arbeite für die hiesige LAG, fragte niemand, was das denn sei, eine EL-AH-GEH.
Die LAG ist eine Lokale AktionsGruppe im LEADER-Kontext, also
im Rahmen des EU-Förderprogrammes LEADER: [link]
Da wiederum gibt es ein sehr konkretes steirisches
"Wir", nämlich ein landesweites Set von LEADER-Kulturprojekten; siehe:
[link]
Es hat mich auf grimmige Art amüsiert, daß jemand in der
Runde meinte, es müsse vielleicht Geld für ein Vernetzungsprojekt solcher Initiativen
geben. Genau das war ja beispielsweise in der LEADER-Förderperiode 2010 bis 2013
der Fall.
Die simple Klarheit will aber nicht debattiert werden: Eben
diese Initiativen wünschen faktisch keine Vernetzung, sie kommunizieren nicht einmal aus
freien Stücke miteinander. Wollten sie das, hätten sie nun vier Jahre Zeit gehabt, dem
gegen angemessene Bezahlung nachzugehen.
Hinzu kommt, daß ja Vernetzung kein Inhalt ist, sondern
ein Werkzeug. Eine "Szene" die sich also über keine Inhalte auszutauschen
weiß, braucht dieses Werkzeug nicht, verzichtet so natürlich weiters auf eine breitere
Basis, effiziente Lobbybildung und ein zeitgemäßen Erfahrungsaustausch.
Dieses "Wir" ist demnach weitgehend ein Phantasma
und in etlichen Bereichen bestenfalls eine "Leidensgemeinschaft" die gerade
einmal dann zueinander etwas näherrückt, wenn der individuelle Leidensdruck so groß
wird, daß er einem die Aussichten in die Zukunft vernebelt.
Ansonsten muß man schon nach Ausnahmen suchen, wo
Kulturinitiatven sich a) über Regionsgrenzen hinaus verständigen und b) dabei womöglich
auch noch in Projekten konkret kooperieren.
Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, daß mindestes einmal
Politik und Verwaltung hauptsächlich an unsere branchentypischen Problemen schuld seien,
daß es uns meist unbequem erscheint, die hausgemachten Schwierigkeiten zu reflektieren.
So sagte jemand etwa mit Blick auf die Politik: "Da
muß sich was ändern!" Muß sich da was ändern? Wirklich? Gewiß! Und jetzt
machen wir gleich weiter mit solchen No-na-Fragen: Ist der Papst katholisch? Ist
das Wasser naß?
Derlei Fragen gehen immer und bringen nichts, absolut
nichts. Ich frage lieber: Auf welche stichhaltigen Befunde des Status quo können wir uns
stützen? Wie also sieht dieser Status quo genau aus? Können wir das einmal klären?
Nun könnten wir uns alle erneut ins Wartezimmer der
vorläufig ungehörten Zurufe an die Politik setzen und übereinkommen: Wir werden
erst handeln, wenn die anderen Leute ihr Verhalten ändern.
Ich ziehe allerdings den Plan B vor: Wir handeln
jetzt und schaffen neue Faktenlagen. Die anderen werden dann ihr Verhalten ändern
müssen. Sie ahnen sicher, der zentrale Ansatz dazu meint eine Veränderung des
Blickwinkels. Machen ich mein Handeln vom Verhalten anderer abhängig oder bin ich selber
das handelnde Subjekt meiner Geschichte? Wie hätten wir es denn gerne?
+) Sie dazu inhaltlich auch: "Die
Marchner-Konferenz" [link]
18. September 2014: Rostfest-Session
beim Kunstsymposion in Gleisdorf
-- [Generaldokumentation]
[Das Kunstsymposion]
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