16. August 2014

Imperium: Diese vorherrschende Männerkultur

Der Islam als wachsende Bedrohung? Das kaufe ich den Opinion Leaders auf dem Boulevard nicht ab. "Islam", das ist doch bloß eine Folie, die sich beliebig austauschen läßt, um eine ganz andere Konfiguration zu bemänteln.

Was uns und laufend bedroht, was in der Grundausstattung und im Bedrohungspotential irritierende Standfestigkeit zeigt, ist eine weltumspannende Art vorherrschender Männerkultur. Ein erfolgreiches, sehr gewalttätiges Konzept.

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Sean Penn als Tony Meserve in De Palmas "Casualties of War"

Diese Männerkultur ist strikt hierarchisch geordnet und erlaubt jedem Konvertiten jederzeit die Rückkehr zur "wahren Lehre", egal, wie lange man zwischenzeitlich anders orientiert war. Diese Männerkultur ist interkonfessionell. Lateiner, Orthodoxe, Juden, Moslems, Sikhs, mutmaßlich auch Buddhisten sind genau darin generell kompatibel.

Das Grundmotiv macht eine kulturell variable "Kerl-Nummer" aus. Wir haben bei uns dazu ein "Ideal des soldatischen Mannes" entwickelt und im Faschismus fein herausgearbeitet. Das kann wahlweise auch ein Konzept des "Helden der Arbeit" sein oder des "Gotteskriegers"; aber die Requisiten sind im Grunde zweitrangig.

Ob afrikanische Dschandschawid, ob amerikanisches Militia Movement, ob Mujahedin, oder neuerdings die Miliz Islamischer Staat (IS), ob die Ungarische Garde hier in Europa oder die Mara Salvatrucha in Lateinamerika oder eine Kultur der Gangsta in den USA, der Lokalkolorit färbt die Kerle unterschiedlich. Das "Kerl-Konzept" ist im Kern jedoch da wir dort auf die selbe Art gestrickt.

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Zweierlei scheint in diesem Konzept universell zu sein: Frauenverachtung und Schwulenhaß. Das läßt erahnen: Wo der "Kerl" nicht so genau weiß, was denn nun "Mannsein" bedeutet, löst er diesen Schwachpunkt auf, indem er klärt, was "Nichtmann" heißt; nämlich Frau, wahlweise "Schwuchtel". Darum wird in solchen Milieus auch gerne als "weibisch" oder "schwul" denunziert, was man gerade als "unmännlich" empfindet.

Darin sind sich, wie man leicht überprüfen kann, muslimische, orthodoxe, römisch katholische "Kerle" einig. Manche muslimische "Kerle" hängen Schwule und steinigen Frauen, orthodoxe und katholische "Kerle" verdreschen sie bloß oder schlagen sie tot etc.

Um es in einer knappen Skizze und etwas stereotyp anschaulich zu machen: Der "Kerl" ist dauerhaft gewaltbereit und geht am liebsten in Waffen. Wie schon erwähnt, verachtet er Frauen und haßt Schwule. Er pflegt Mannesstolz, obwohl niemand genau weiß, was das ein soll. (Im Grunde ist das so eine Container-Sache, die ganz beliebig befüllt werden kann.) Wird dieser Stolz verletzt, empfiehlt die Ehre, derlei Verletzungen mit Blut abzuwaschen; vorzugsweise mit dem des Opponenten.

Das gibt es auch im erweiterten Modus. Dazu muß gegebenenfalls die eigene Mutter, Schwester, Cousine, Ehefrau, Tochter herhalten. Und zwar auf doppelte Art: Die Männerehre ist auf ihren Leib ausgedehnt. Wird sie dort, am weiblichen Leib, "beschmutzt", verletzt, muß sie notfalls mit dem Blut der betroffenen Frau gereinigt werden, bestenfalls mit dem Blut beider, der Frau und des "Beleidigers".

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Eigentlich müßten sich die "Kerle" der Welt über alle religiösen und ideologischen Kontraste hinweg prächtig verstehen, weil ja viel Grundlegenderes sie einen könnte. Daher halte ich religiöse und nationalistische Motive für vorgeschoben, für nachrangig.

Wer glaubt, die oben skizzierten Unarten seien Eigenarten von muslimischen Männern, macht sich blind und taub für die genuin europäischen Versionen solcher Konzepte, den "Mannesstolz" zu zelebrieren. (Jede professionelle Familienhelferin Österreichs wird Ihnen praktische Beispiele schildern können.)

Natürlich gibt es unterschiedlich harte "Kerle". Deshalb die Hierarchie des Patriarchats.

Bildlich gesprochen: Hunde, Wölfe und Schakale werden sich jederzeit mit den Löwen und Tigern um einen Platz in dieser Hierarchie arrangieren. Sie werden dabei auf den unteren Rängen selbstverständlich Einschränkungen hinnehmen, bloß um nicht zu den Lämmern, zu den Friedfertigen und zu den Frauen zu gehören.

Wie das zu bremsen ist? Auf jeden Fall nicht mit ihren bevorzugten Mittel, also mit brachialer Gewalt. Die Konsequenz wäre ein Polizeistaat, eine Junta, die Tyrannis. Davon wissen wir schon: Solche Konzepte sind nicht langlebig genug, um sich durchzusetzen.

Es geht nur über kulturelle und soziale Bindungen, über ethische Konzepte, über einen Kodex. Wie viele würden bei uns offen Waffen tragen, wenn sie es dürften? Aber sie dürfen es nicht. Wie viele würden sofort zuschlagen, wenn sie es dürften? Aber sie dürfen es nicht.

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Junge Evangelikale preisen Jesus und wissen die Tugenden Hitlers zu würdigen

Wir haben diese Formen der Gewaltausübung im öffentlichen Raum weitgehend bannen können, also haben sie sich in private Gemächer verlagert. Das Gleiche zeigt sich bei sexuellen Übergriffen.

Halten die Konventionen einigermaßen, muß eine Frau bei uns -- zumindest im öffentlichen Raum -- schon großes Pech haben, um sexuell härter attackiert zu werden. (Flüchtigere Varianten sind nach wie vor Standard.)

In privaten Räumen geschieht das laufend, in allen denkbaren Härtegraden, hauptsächlich durch Verwandte, durch Väter und Lebensgefährten. Weltweit sterben außerdem mehr Frauen an häuslicher Gewalt denn an Verkehrsunfällen etc.

Lockern sich die schützenden Konventionen, wird die Ächtung von Gewalttätigkeit schwächer, kommt es auch in der Öffentlichkeit sofort zu sexuellen Attacken. Das mußten erst kürzlich ägyptische Frauen im "Arabischen Frühling" erfahren. Das überleben manche indische Frauen kaum oder überhaupt nicht. Das ergibt in Lateinamerika horrende Todesraten unter Mädchen und Frauen etc.

Der Untergang Jugoslawiens hat uns alle Spielarten der weltweiten "Kerl-Nummer" vorgeführt; jede vor Ort vorhandene Konfession betreffend sowie auch die praktizierenden Heiden. Bei jeder nur denkbaren Gegnerschaft in ideologischen und nationalen Fragen (Albaner, Bosniaken, Kroaten, Serben) herrschte übergreifend gewissermaßen ökumenische und patriarchale Eintracht: Die Weiber werden gefickt und Kehlen werden durchgeschnitten.

Das leisten sich Moslems und Christen, Heiden und Esoteriker, Eiferer und Gewissenlose, solange sie sich in der stärkeren Position wähnen, was natürlich leichter fällt, wenn man in Waffen geht.

In Friedenszeiten hängt das Ausmaß solcher Übergriffe vor allem davon ab, wie präsent ein Staat ist und wie stark er sich zeigt, um ein Gewaltmonopol durchzusetzen, aber eben auch von der ethischen Kraft einer Zivilgesellschaft. Herrscht Krieg, weiß jede Soldateska: Die Weiber werden gefickt und Kehlen werden durchgeschnitten.

Ob Guerilla oder reguläre Armee, egal, was hinterher behauptet wird, die Opferzahlen und das Ansteigen von Geschlechtskrankheiten tauchen früher oder später in irgendwelchen Unterlagen, in diversen Akten auf. Unsere Leute taten das genauso wie andere. Die angeblich "saubere" Deutsche Wehrmacht zog vergewaltigend durch Europa. Diese Landser-Attitüde ist nie und nirgends aus der Mode gekommen.

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"Imperium" bei "9.500.000", Große Ansicht: [LINK]

Nein, ich hab kein vorrangiges Problem mit dem Islam, wenn ich auf die düsteren Seiten der Welt blicke. Ich hab ein vorrangiges Problem mit dieser vorherrschenden Männerkultur und mit einer immer noch zu niederen Bereitschaft, Gewaltausübung schon im Ansatz zu bannen; also dort, wo Mitmenschen über Diskurse, Appelle und Zuschreibungen als "Gegenmenschen" markiert werden.

Das geschieht nicht bloß, wo Männerbünde oder Legionen geneigt wären, zu Waffen zu greifen. Das geschieht im Alltag. Es geschieht schon im Ansatz auch dort, wo sich Männer wie Frauen weigern, daß die Präsenz des Weiblichen in unserer Sprache sichtbarer werden dürfe, ja solle, weshalb sich unsere Sprache ändern muß, was ohnehin das Normale ist, denn Sprache ändert sich immer.

Wir kennen auch Zeiten, wo öffentliche politische Diskurse so viel an Menschenverachtung zeigen, daß einem schlecht werden mag. Das ist immer und ohne Ausnahme Rüstzeug für jene "Kerle", die früher oder später in Waffen gehen und sich von keinem Ethos mehr halten lassen, um die Frauen und die Friedfertigen zu schinden.

Wenn wir auf die hundert Jahre seit den Schüssen von Sarajevo blicken, dann wird ganz deutlich sichtbar, was die eigentlich treibende Kraft in den kulturellen Aspekten solcher Katastrophen ist...

-- [9.500.000: Imperium] [Das Kunstsymposion] --

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