18. Juli 2014 Du kannst nicht einfach mit der Karre durch Bosnien durchstechen, um
ruckzuck Dinge zu erledigen. Bloß ein paar Autobahnkilometer. Ansonsten viel Landstraße.
Gebiete ohne die enorme Zersiedelung, wie ich sie in Österreich habe. Bewaldete Berge mit
ungebrochenem Grün. Ich hätte gerne sehr viel mehr Zeit für dieses schöne Land.
Das Foto zeigt ein Stück Autobahn auf dem Weg nach Banja
Luka. Wo könnte man bei uns so eine Passage ganz für sich haben? Diese Rahmenbedingungen
haben freilich auch einen hohen Preis, den die Menschen dort tragen müssen. Die
vergleichsweise schwache Infrastruktur, verknüpft mit den Folgen des Krieges und den
politischen Blockaden, die sich bosniakische, kroatische und serbische Leute auferlegen,
schaffen eine ökonomische Enge, die wir nicht einmal aus Albträumen kennen.
Daraus mag verständlich werden, wie sehr ich die
Kooperation mit Menschen aus dieser Region schätze. Das sind durchgehend Leute mit
großen Emotionen und einem unerschütterlichem Engagement, ohne das dort eher nichts
liefe.
Maler Radenko Milak, hier mit Kunsthistorikerin Mirjana
Peitler-Selakov, ist einer jener Professionals des südslawischen Kunstgeschehens, mit dem
zu arbeiten mir ein Vergnügen ist. Keinerlei Larmoyanz, klare Positionen und
Paktfähigkeit. Was er sagt, das macht er auch, und was er macht, das kann er.
Ich möchte diesen Satz mit Nachdruck wiederholen: Was
er sagt, das macht er auch, und was er macht, das kann er.
Ich bin in den letzten Jahren bei Kooperationen keineswegs
mit so einer simplen Kompetenzlage verwöhnt worden. Manche Zusammenarbeit habe ich sehr
genossen. Andere Abschnitte zeigten mir, mit welcher Chuzpe Leute unterwegs sind, einem
Gelder und andere Ressourcen rauszureißen.
Launiges Detail: Genau heute vormittags kam das letzte
Paket mit Unterlagen von meinem nun abgeschlossenen LEADER-Kulturprojekt zurück.
Alles cool! Strich drunter. Es waren diese Gelder, durch die sich so manche Kanaille
angezogen fühlte. Ich sage offen, wären in der gleichen Zeit nicht auch ganz wunderbare
Kulturschaffende meine Verbündeten geworden, ich hätte heut grade beste Laune, all das
hinzuschmeißen.
Es sind diese Kolonnen der Kanaillen, heuchelnde Figuren,
bis zum Kragen mit Begehrlichkeiten vollgepackt, die langfristig am Gemeinwesen vermutlich
ebenso viel Schaden anrichten wie Marodeure, die in Waffen gehen.
Ich bin heute überzeugt, solche Brut ist eine Mischung aus
den kulturellen Früchten der Gegenreformation und höfischer Günstlingswirtschaft. Ohne
dieses Klima wäre wohl auch unser Faschismus nicht möglich gewesen.
Der Bückling mit seinem traurigen Blick und seiner
Bereitschaft, auf jene einzuschlagen, die ihm schwächer erscheinen, wo einem Leute im
Wege stehen, diese Art Kreaturen streift aber zum Glück nicht allein durch unser aller
Leben.
Also zurück zu den erfreulicheren Aspekten jener Tage.
Natürlich mußte ich Travnik sehen, denn von dort stammt Autor Ivo Andric. Ich hatte ein
Dorf vermutet, es ist eine stattliche Stadt. Ich konnte diese Strecke auch nicht machen,
ohne Jajce zu berühren.
Dort waren die Könige Bosniens zuhause, bevor die Osmanen
das Land besetzten. Dort setzten sich im August 1878 österreichische Truppen fest, was --
wie der Rückblick klar macht -- der bewußte Auftakt Österreichs war, den Balkan zu
kolonialisieren; eine der Konfliktquellen für den Großen Krieg von 1914.
Ende 1943 tagte in Jajce die zweite Versammlung des
Antifaschistischen Volksbefreiungsrates (AVNOJ), was volkstümlich als die Gründung
der SFR Jugoslawien gilt. Ich finde keine spezielle "historische Aura"
an solchen Orten, aber mein Denken gewinnt an Klarheit, wo ich auch physisch erfahre, was
die Region sei.
Das heißt, wenn ich reise, auch wenn ich fehlgehe, wenn
ich mich in einem Zeitablauf über Land bewege, bekomme ich eine andere Auffassung von den
historischen Prozessen, die ich aus meiner Lektüre kenne.
Vom französischen Kunstliebhaber Pierre Courtin und seiner
Galerie in Sarajevo wird noch ausführlicher zu erzählen sein. Wenn man bedenkt, was er
für die Kunst in dieser vielfach belasteten Region schafft, ist österreichische
Larmoyanz recht schwer zu verstehen...
-- [Die
Sarajevo-Session] -- |