18. Juni 2014 Die bewährte Frage: Wo bin ich, wenn ich überall bin? Und was geht
in meinem Kopf vor, wenn die Stürme der Gedanken in die Emotionen krachen? Ich hab
bemerkt, das läßt sich derzeit gar nicht ordnen.
Übrigens! Mit unserem Parlament ist es wie
mit der Barbara Karlich-Show. Im TV sieht das alles viel größer aus als vor
Ort. Aber ich hab den Ort gemocht. Davon erzähle ich später noch. Befände ich mich
jetzt schon in stilleren Gefilden, frei von Pflichten, so wäre ich trunken und hätte
ungefähr drei Songs auf Lager, die ich stundenlang rauf- und runterspielen würde.
So aber fügen sich Bruchstücke wie ein
Stammeln. Heli liegt nach wie vor im Koma und sie haben weitere Fleischstücke aus ihm
herausgeschnitten. Wie viel kann rausgeschnitten werden, daß noch genug von ihm übrig
bleibt? Daran zu denken ist einfach zum Verzweifeln.
Ich war unter eben solchen Messern. Ich kenne
dieses Koma. Strictly Outland. Falls du zurückkommst, ist die Welt noch wie sie
war, aber du bist nicht mehr wer du warst. Es ist die Variante eins der Quest.
Die Variante zwei geht so: Du bist wer du warst, aber die Welt hat sich
verändert.
Das Ganze ist wie der Schluck Schnaps für
einen trockenen Alkoholiker. Eine Lichtstimmung, ein bestimmter Geruch, und alles ist
wieder da. Die Wahrheit ist: Niemand kommt von dort zurück. Im Herzen bleibst du auf dem
düsteren Planeten.
Ich mische mich zwischendurch unter fröhliche
Menschen und bin es dann auch. Nicht alle mögen meine Bilderwut, meinen nie erlöschenden
Bildhunger. Heimo sagte: "Laß mich heute bitte aus!" Das kann ich
nicht ignorieren. Und Sandra hatte ihren Jet auf dem Parkplatz abgestellt, ein riesiges,
zweistrahliges Jagdflugzeug.
Natürlich nicht! Wie sollte das gehen? Aber
mein Träumen mit offenen Augen macht solche Szenarien. Dafür hab ich beim Ausparken, um
die nächste Station zu machen, beinahe das Heck meiner Karre in so ein staubfreies Cabrio
gerammt.
Ich kann es mir gerade nicht leisten, hätte
aber zu gerne gewußt, was geschähe, falls das zu so einem Ende gekommen wäre; zu einem
Filmriß im Trash wohlgeordneter Verhältnisse und das Cabrio im Vollbrand.
Dann war da Marco Paul, ein wacher Mann auf
der Suche nach der Geschichte jener Firma, von der kaum etwas dokumentiert ist, für die
er heute auf eine Art verantwortlich zeichnet, die mir noch nicht ganz klar ist. Die
kontrastreiche Geschichte begann 1825 in einer kleinen Werkstatt in der
Münzgrabenstraße.
Ich lese derzeit in den Schriften von Matthew
B. Crawford, wo es an einer Stelle heißt: "Ich will die Ehre des Handwerks als
erstrebenswerte Arbeit wiederherstellen, aber das versuche ich, indem ich von meinen
eigenen Erfahrungen ausgehe, denen die Erhabenheit dieses kulturellen Ideals des Handwerks
als Kunst und spirituelle Erfahrungen fehlt."
My man! Klugheit, Dreck und Poesie,
ohne jede große Geste. Mir ist das in den Jahren mit den alten Handwerkern mehr als klar
geworden: Man glänzt nicht vor der Welt, sondern macht in der Sache einen guten Job.
Aber gelegentlich vorne zu sitzen, das hat
schon Vorteile. Dieses Foto hat mir Waltraud Riesner überlassen, die unseren Debatten
gefolgt war. Das Mikrophon wäre nicht nötig gewesen, um mein Gegenüber zu erreichen.
Der Mann ist Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen
Dienst.
Bei so einer Jobbeschreibung komm ich ins
Grübeln. Josef Ostermayer wird, so nehme ich an, sehr viel mehr Klarheit haben, was
daraus gemacht werden soll. Ich bin neugierig, was es ist, wenn sich unsere Wege erneut
kreuzen.
Ich hab übrigens auch gegrübelt, wie man von
diesen steinernen Säulen im Parlament mehrere hinbekommt, so daß sie einander völlig zu
gleichen scheinen; falls da nicht eine CNC-Fräse drübergeht, sondern ein Steinmetz mit
Ärmeln wie meine Oberschenkel.
Vor einer halben Stunde hat die Nachtschicht
meines Sohnes begonnen. Er hat mir von den CNC-Maschinen oft geschwärmt. (Computerized
Numerical Control.) Das ist ein wenig wie Raumschiff Enterprise. Ich hab ihm
dafür von seinem Urgroßvater erzählt, der Steinmetz war. Pure Magie, die Steine von
Hand gefügig zu machen.
Dieses Talent ist auf meinen Bruder
übergegangen. Ich bin dagegen der Idiot der Familie, süchtig nach Text, ohne an
die Knöchel von Flaubert heranzureichen, weshalb auch kein wie immer geartetes
Sartre-Echo Arbeit mit mir haben wird. Über die Talente meines Vaters ist kaum etwas zu
erzählen, denn er war ein geschundener Krüppel, der sein Herz in Outland lassen
mußte wie so viele.
Wo derlei geschieht, wachsen Legenden wir
Gestrüpp über die letzten Wahrheiten und irgendwann weiß niemand mehr, an welchen
Stellen die wesentlichen Rinnsale einer Biographie versickert sind.
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