7. März 2014 Der
schmächtige Leib des Mörders Gavrilo Princip mußte einen breiten Schatten werfen, in
dem wir bis heute vieles lieber nicht sehen, was an jenen Tagen bemerkenswert war, als er
nahe der Lateinerbrücke in Sarajevo ein Aristokraten-Ehepaar erschoß, dem der
Kaiser in Wien samt seinem Hofstaat keine Träne nachweinte.
Die Habsburger hatten schon eine Weile innen- wie
außenpolitisch erschreckend viel Inkompetenz angehäuft. Der Kaiser war vor allem eine
Bürde für sein Volk.
Ohne den brennenden Ehrgeiz einzelner Aristokraten (mit
entsprechend fatalen Folgen) hätte wohl weder Stabs-Chef Conrand von Hötzendorf in Graz
den größten Boulevard gewidmet bekommen können, noch wäre Franz Ferdinand genau zu
diesem Datum in Sarajevo gewesen, denn die symbolische Brisanz war bei Hofe durchaus klar..
Doch Oskar Potiorek, Oberkommandierender Österreichs
Balkanstreitkräfte, hatte nachhaltig gedrängt, die anstehenden Manöver mit dem
erlauchten Gast krönen zu dürfen. Warum ich das erzähle? Weil ich gestern ein
bewegendes Buch erhalten hab, in dem Gregor Mayer sich mit Gavre Princip befaßt.
Der Bub hatte ein Imperium herausgefordert. Der Preis
dafür war entsetzlich. Man hatte ihm den Prozeß gemacht. In der Festung von
Theresienstadt hing er erst einmal ein Jahr an der Kette in Isolationshaft. Gespräche
streng verboten. Princip wurde so knapp gehalten, daß er den kurzen Rest seines Lebens
Hunger litt.
Die Kälte und die Feuchtigkeit trieben seine Tuberkulose,
die den schmalen Körper auffraß, unerbittlich voran. Abszesse und offene Wunden
schwächten ihn zusätzlich. "Bücher bedeuten für mich das Leben",
hatte er einem Arzt anvertraut. Auch das, zu lesen, war ihm freilich vorenthalten.
Mayer, einer versierter Publizist, mit der Region und der
Sprache gut vertraut, bietet uns am Beispiel dieser exponierten Person Aufschluß über
Beweggründe, die reflektieren, was im Umbruch von Reichen zu modernen Nationalstaaten
politische Kraft entfaltete.
Die Schüsse von Sarajevo und die meist im Dunkel gehaltene
Gestalt des Attentäters Princip sind so sehr Motive der nationalen Legenden Österreichs,
daß die Lektüre dieses Buches überaus hilfreich ist, einige der kursierenden Bilder
etwas zurechtzurücken.
Ich war vor Beginn dieser Lektüre von einer kleinen
Ausfahrt zurückgekommen, die mich auf andere Art mit dem Jahr 1914 in Berührung gebracht
hatte. Max Zottler war bereit gewesen, mir seine Neuerwerbung zu zeigen. Der Spezialist
für die alte österreichiche Automobilmarke Gräf & Stift hatte ein
Fahrzeug, das er kaufen wollte, nur im Doppelpack erhalten können.
Die "Zuwaage", ein Feuerwehrwagen auf der Basis
eines Puch, welcher mutmaßlich zwischen 1914 und 1920 gebaut worden ist. Diese
Fahrzeuge sind so rar, daß man kaum noch welche real zu Gesicht bekommt.
Fußnötchen: Es war übrigens ein Gräf & Stift,
in dem Franz Ferdinand und seine Frau Sophie von Princips Kugeln getroffen wurden.
Johann Puch war 52 Jahre alt, als seine angegriffene
Gesundheit einer heftigen Herzattacke nicht mehr standhielt. Er starb im Juli 1914, wenige
Tage vor dem Ausbruch des Großen Krieges.
Ich habe jetzt mehrere Jahre intensiver an diesen Themen
gearbeitet, weil mir vorschwebte, wir sollten heuer nicht einfach eine Art
"Kriegsgedenken" entfalten, sondern uns vor allem darauf konzentrieren, was aus
einem Rückblick über die erkennbaren Konsequenzen in unsere Gegenwart führt.
Das wiederum speziell auf die Situation von Kunst- und
Kultuschaffenden bezogen, denn erst im Fallen des Imperiums öffneten sich Wege, um quer
durch die Nazi-Tyrannei Felder zu erschließen, auf denen wir heute zu klären versuchen,
was etwa Kunst- und Kulturschaffende zu tun haben, um ihre Vorstellungen von zeitgemäßer
Demokratie einzulösen.
Ein Sonderbudget, um das ich mich in der Sache bemüht
hatte, war für uns leider nicht zu bekommen. Nun werde ich also andere Varianten
entwerfen müssen, um die nächsten Schritte zu realisieren. Siehe dazu auch: "Die
Ansage als Absage" [link]
-- [The Track: Axiom | 2014]
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