26. Februar 2014 Kürzlich
erhielt ich eine kuriose Lektion, die mir klar machte, ich hätte im Fach Physik
stellenweise etwas besser aufpassen sollen. Dieses Wissensgebiet erschien mir ohnehin sehr
viel faßbarer als die rätselhafte Chemie, zu der so viel Abstraktionsvermögen nötig
war; außer es krachte schön. Aber ich habe da so meine Lücken.
Stellen Sie sich vor, eine massive Pfanne mit einem merklich leichteren Stahldeckel zu
schließen, der zwar wie angegossen paßt, aber aus einem anderen Geschirrensemble stammt.
Ich dachte pragmatisch, der wesentlich dünnere Stahldeckel
habe sich in der Hitze schneller ausgedehnt als die massivere Pfanne, denn das Ding
steckte fest. Ein starker Guß kalten Wassers sollte den Prozeß umkehren und die Pfanne
so den Deckel wieder freigeben.
Es kam ganz anders. Die Abkühlung führte offenbar zu einer sprunghaften Erhöhung von
Unterdruck in der Pfanne. Mit einem häßlichen Geräusch wurde der nach oben gewölbte
Stahldeckel nach unten geknüllt und verschloß die Pfanne noch energischer.
Ich hab sowas noch nie zuvor erlebt und war eine Weile damit beschäftigt, den Deckel mit
einem massiven Schraubenzieher vom Pfannenrand zu lösen.
Während ich mit so unsäglich banalen
Überraschungen befaßt war, wurde uns vermeldet, daß im Landeszentrum der Ukraine die
Polizei zu den Aufständischen übergelaufen sei und der autoritäre Präsident plötzlich
vor ein paar sehr interessanten Herausforderungen stünde.
Allerdings glaube ich nicht, daß "Ein
Volk bezwingt die Staatsmacht" eine auch nur annähernd adäquate Beschreibung
dessen ist, was sich in der Ukraine derzeit ereignet. (Reißerischer Schwampf!)
Seither verfolge ich wieder die Postings der internationalen Ratgeber-Legionen. Uns wäre
sowas ja nicht passiert. Unsere Leute haben den Diktator einst mit Blumen begrüßt.
Ach, ist nur Spaß! Ich stehe noch stark unter dem Einfluß meiner eben geführten
Faschismus- Eröterungen. Wie sehr kann ich denn noch das Anhören der Reden von Andreas
Mölzer empfehlen? Die Vaterländischen haben ihre Privatmythologie inzwischen fein
ausgearbeitet, auf staatsmännisch gebürstet und von jeglichem Nazi-Kitsch ebenso befreit
wie von verräterischen Rassismus-Phrasen.
Dabei wissen wir noch immer nicht, woher sie heute ihr Europa der Vaterländer
nehmen, diesen Ethno-Schund, denn Jahrtausende waren wir in Imperien zuhause. Was der
amerikanische Päsident Woodrow Wilson als Selbstbestimmungsrecht der Völker
propagiert hat, ist leider viel zu anfällig, nicht als politische Kategorie gedeutet zu
werden, sondern biologistisch-rassistische Konzepte in den Geruch von Völkerrecht zu
hebeln.
Getreu unseren historischen Traditionen deuten wir diese Fragen immer noch hauptsächlich
kulturell und nicht politisch, geben dem Ganzen eben auch noch einen biologischen
Beigeschmack. Das Europa der Vaterländer bleibt so ein Europa von
Auschwitz und Srebrenica.
Kann noch irgend ein Zweifel daran bestehen, daß unsere Welt der Menschenrechte und der
Verteilungsgerechtigkeit so gefährdet wie lange nicht ist? Der Kalte Krieg hat sich auf
Stand gebracht und in die Köpfe verlagert. Wir tragen ihn längst mit, wenn wir nicht
gewappnet sind, die Codes zu lesen und in den anstehenden Debatten mitzuhalten.
Es ist ein zuerst kulturelles und dann sofort politisches Problem. Das übliche Geblöke,
all die Erregung und das Verteilen von Internet-Links, die uns zu Schreckensmeldungen
leiten, sind völlig nutzlos, wenn es nicht gelingt, das eigene Denken zu eigenem Wissen
zu führen, damit ein aktiver Einstieg in die Diskurse möglich wird.
Wer sich keine fundierte Meinung bildet, die entsprechend geäußert werden kann, trägt
bei, daß wir unsere Welt der Menschenrechte und der Verteilungsgerechtigkeit, wie sie ja
auf jeden Fall greifbar ist, in den Köpfen verspielen, verlieren.
Die erste und billigste Waffe, eine der wirksamsten überhaupt, um gegen die
Menschenverachtung zu halten, ist Wissen. Ich wünschte, davon käme mir im
Alltag weit mehr entgegen. |