24. Februar 2014Manchmal darf uns die Nacht auf unberechenbare Art verschlucken.
Dazu bedarf es passender Reisegesellschaft. Ich bin ein erklärter Small Talk-Gegner,
weshalb mir Geselligkeiten mit Menschen ohne nennenswerte Ansichten verwehrt sind. Wer mit
sich selbst in größter Langeweile lebt und darauf angewiesen ist, irgendwann gefundene
Meinungen stets neu aufzukochen, ohne aus all dem Schlüsse zu ziehen, vertreibt mich mit
dem dritten Atemzug.
Wenn Proleten wie wir feiern:
Brennende Bananen
Ich erinnere mich an die Empörung eines nahen Verwandten,
dem ich einmal abverlangt habe, er solle mir etwas nicht erzählen, weil ich es schon drei
Mal von ihm gehört habe. Er schien von meiner Zumutung massiv betroffen, geradezu
beleidigt, gekränkt.
Ich kennen kein Mittel gegen solchen Schmerz außer Neugier auf die Welt.
Wenn ich jemanden länger nicht getroffen habe, sind uns zwei wunderbare Möglichkeiten
offen. 1) Ich habe inzwischen interessante Dinge erfahren. 2) Ich habe inzwischen
interessante Fragen entdeckt. Beides sind Gaben, mit denen man sich gut in eine lange
Nacht stürzen kann.
Ich darf zu dieser Gelegenheit erneut Eric Kandel zitieren, wie er die Mutter eines
Schulkameraden zitiert, eines Buben, der es übrigens -- ebenso wie Kandel -- zu einem
Nobelpreis gebracht hat: Hast du eine gute Frage gestellt?
Man weiß also nie, wohin einen das Fragen bringt. Nun ist zu vermerken: Autor Helmut
Schranz bei der Chinesischen Mauer.
Natürlich nur ein Gedanke. Eine Konstruktion.
Eine Hintergrundfolie, so plausibel und notwendig wie Hintergrundmusik. Was setzt uns in
solche Zusammenhänge? Eine Leinwand, groß wie eine Wand, die ein Gemälde simuliert,
wäre für sich ausreichender Anlaß für eine kulturpessimistische Debatte.
Aber wenn ich schon in einem Land lebe, wo sich Kunstsimulation zu einem veritablen
Standard entfaltet, kommt es auf diesen Fetzen made in China auch nicht mehr an. Daß sich
nun ein Avantgarde-Autor vor so einem Bildnis des Imperialen arrangieren läßt, ist ein
lustiger Dreh und legte uns einen kräftigen Schluck aus vollen Gläsern nahe.
Ich habe lange gebraucht, um das Wort Kontingenz zu begreifen. Doch
ich werde es hier nicht erklären. Das ist ja mehr einer philosophischen Kategorie
zugehörig als greifbareren Dimensionen. Es bekräftigt erneut: Mit Smalltalk ist hier
nichts auszurichten.
Ich befinde mich gerade in einem Lebensabschnitt, wo ich der künstlerischen Arbeit wieder
weit mehr Raum verschaffen möchte, was nur geht, wenn die Kulturarbeit zurückgedrängt
wird. Das verschärft aber eindeutig die Einkommenssituation, was uns und darin bin
ich mit Schranz einig darauf verweist, daß man es sich leisten können muß, ein
Künstler zu sein.
Oder, wie Schranz es eben formulierter: Einreichen mußt du schon. Hatte er
nämlich; eingereicht, was ihm gerade den lime_lab Preis für Transdisziplinäre
Hörspiel-Konzepte bescherte.
Heilsversprechen müssen ohne
erklärte Relationen auskommen
Schranz wirkt noch etwas beschämt, denn es
ist kein Renommee, ein Preisträger zu sein. Preisträger kann auf dem Kunstfeld wahrlich
jeder sein, das schmückt einen nicht. Nur die Entbehrung ehrt den wahren Künstler.
Ha! Reingefallen! Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß wir so eine blöde Auffassung
vertreten würden?
Nur die Kunst ehrt den Künstler und was das "Wahre" sei, möge weiter die
Philosophie beschäftigen, auch die Theologie; und in der flachen Version für die
billigen Plätze die Hooligans der russischen Gruppe Woina.
Die erwähne ich, weil man inzwischen auch in meinem Milieu nicht mehr müde wird,
a) sich mit Pussy Riot ausdauernd zu solidarisieren, was
nichts kostet, außer sich vielleicht gelegentlich eine Strickmütze übers Gesicht zu
ziehen, und
b) deren angebliche Quellen zu loben, nämlich die genannte Gruppe Woina,
deren Statements, falls sie korrekt übersetzt wurden, mehrheitlich zum Kotzen sind, so
richtige Idiotenpost für Spießer, wobei es von Behauptungen über Wahre
Kunst und deren angebliches Gegenteil nur so wimmelt.
Ich tausche mit Schranz gelegentlich Ansichten über den Kunstbetrieb aus. Das ist
unverzichtbar, weil hierzulande eine Verschwörung der Spießer so weit gediehen ist, daß
man diesen überwiegend diskursfreien Kulturraum für steirisches Kunstgeschehen halten
könnte.
Wir sind uns wesentlich einig, daß sich dieser Teil des Geschehens nicht anfechten
läßt. Einwände sind unmöglich. Es scheint so zu sein, daß man dieses Phänomen sich
selbst überlassen muß. Auch wenn es erhebliche Budgetmittel bindet, was zu keinen
produktiven Momenten führt.
Folglich lohnt es auch nicht, die Sache weiter
zu behandeln, sondern es muß diese Notiz genügen, um jene Pfade zu markieren, die uns in
die kulturelle Gegenwart der Steiermark führen. Alle ernsthafte Kunstpraxis jenseits
davon wird uns Wege in diese oder jene Zukunft weisen und inzwschen starren wir in die
bläulichen Flammen flambierter Bananen... |