19. Februar 2014

Da sind einige wichtige Punkte. Wir trinken nur vorzüglichen Wein. Falls uns dafür das nötige Geld fehlt, verzichten wir auf Wein. Darin habe ich mit Kulturwissenschafter Günther Marchner seit einer Ewigkeit und drei Tagen Konsens, der noch nie erschüttert wurde.

Was Marchner mir eindeutig voraus hat, er kocht vorzüglich. Und ohne Kaffee geht gar nichts. Das sind also Zutaten, unter denen wir je nach Tageszeit nach dem passenden greifen. Ich darf berichten, daß der Liebhaber guter Weine meine Wahl goutiert hat: Weißburgunder von Pregartner und Buchertberg rot von Lamprecht. Vorzügliche Vergnügungen aus unserer Region.

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Das kann gar nicht deutlich genug betont werden: Die Arbeit engagierter Winzer verdient viel Aufmerksamkeit, wobei man mit dem Geld keinesfalls geizen darf, wofür man ja mit wunderbaren Gaben entschädigt wird.

Wir waren in Klausur gegangen, um fünf Jahre Projektphase von Kunst Ost auch auf der Reflexionsebene abzuschließen, um uns über ein Fazit zu verständigen und um für Schritte in das kommende Jahr neue Klarheiten zu finden.

Der Weg zu diesen Arbeitsschritten war mir durch das Auffinden eines vorzüglichen Antiquariats -- "Papierwelten" -- in Bad Mitterndorf noch vertieft worden. Räume voller Bücher, gut sortiert und wohl geordnet.

Dabei wunderbar symbolträchtig, mein Fund während eines kurzen Besuchs im Laden, dieses Bändchen Kunsttheorie von Oto Bihalji-Merin (aus Zemun/Beograd), der 1969 einer speziellen Frage nachging: "Ende der Kunst im Zeitalter der Wissenschaft?"

Marchner blickt auf Jahrzehnte der Befassung mit der "Initiativenszene" zurück, die bis heute nicht geklärt hat, ob sie nun eine "freie" oder eine "autonome" sei und -- was immer nun eher gilt -- welche Schlüsse daraus zu ziehen wären.

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Für die Steiermark läßt sich feststellen: Es hat geendet. Dieser Bereich war ein bemerkenswertes soziokultuelles Phänomen und ist zum "Regelbetrieb" geworden, der keine besondere Hervorhebung mehr rechtfertigt. Aber niemand aus diesem Milieu sagt: Es ist vorbei!

Also sage ich: Es ist vorbei!

Was ein Milieu war, dem ich mich zugehörig fühlte, hat sich zwei großen Herausforderungen nicht gestellt:

1) Die Bedrohung unserer Demokratie durch die Neue Rechte, welche seit den 1980ern Richtung Rathäuser und Parlamente Europas unterwegs war, dort inzwischen angekommen ist.

2) Die Bedrohung unserer Demokratie durch die spekulativen Produkte (Bank- & Börsen-Kram), von denen für die Realwirtschaft keinerlei Gewinn abfällt.

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Ich denke, beide Arten der Bedrohung hätten es vertragen, daß wir unser Metier ausreichend professionalisieren, um ein Stück Realwirtschaft entstehen zu lassen, das sich als Feld der Wissens- und Kulturarbeit bewährt und so essenziell beiträgt, Gegenpositionen zu schaffen.

Ich denke, davon sind wir als Metier weit entfernt. Was ich nun mitMarchner zu bereden hatte, mündet in ein simples Fazit: Diese Szene, wo sie sich zu einer Mischung aus Amt und Kameradschaftsbund entwickelt hat, ist unanfechtbar, ist diskursresistent.

Volkstümlich ausgedrückt: Da kannst' nix machen. Da kann man sich nur abwenden.

Das ist eine vielversprechende Strategie gegenüber festgefahrenen Verhältnissen: Runter von dieser Bühne, an anderen Orten andere Dinge tun. Plus die kritischen Diskurse wieder sichern, ihnen Kontinuität verleihen.

Ich will das jetzt gar nicht weiter strapazieren, sondern mich noch einer anderen Vergnügung meiner Reise widmen. Als "Automobil-Paparazzo" scanne ich ja meine Umgebung stets, um interessante Stücke zu bemerken, sie im Vorübergehen nicht zu übersehen.

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So mußte ich unterwegs einmal wenden, um einen Lagerplatz inspizieren zu können, weil mir im Augenwinkel eine interessante Silhouette aufgetaucht war. Voila! Ein Gräf & Stift, wie er für das Militär gebaut worden ist, Überbleibsel einer versunkenen österreichischen Automobilmarke.

Doch in Bad Mitterndorf selbst stieß ich abends noch auf eine Sensation, die ich anderntags im Sonnenlicht besehen konnte, da die Fuhre zu meinem Glück aus dem Schuppen geschoben worden war. So ein Prachtstück ist in freier Wildbahn eigentlich nicht zu finden, seine historischen Vorläufer gibt es in Museen und Wagendepots.

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Es ist der mutmaßlich ziemlich originalgetreue Nachbau eines Pferde-Omnibus, der wie ein Tonneau vom Heck her bestiegen wird und vorne auf einem Drehschemel ruht, als wären die Achsschenkel noch nicht erfunden worden.

Kein billiger Schund, keine Imitation, sondern solide gearbeiet, wie allein schon das massive Türschloß verrät und schließlich die fulminane Innenausstattung. Das ist eine Zeitmaschine aus einer Welt grundlegend anderer Geschwindigkeiten...

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