24. Jänner 2014

Sentimentale Zustände. Ich habe für die rund 30 Jahre Motorradfahren, wie sie hinter mir liegen, physisch einen hohen Preis bezahl. Und nie, nicht einen Tag, ist mir der Dämon fremd geworden. Demon of Speed. Das mag ein wenig manieriert klingen. Es fällt simpel in die Kategorie: Wer das kennt, dem brauche ich es nicht zu erklären. Wer es nicht kennt, dem kann ich es nicht erklären. Und es hört nie auf.

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Sigi Cmyral

Ich hänge an dem Thema. Auf diesem Foto sieht man Sigi Cmyral, der hier gerade an einer Preziose arbeitet. Ich hab ihn voriges Jahr kennengelernt, nun war ich in seiner Werkstatt. Das Werkel, dessen massive Ketten man hier sieht, ist ein knifflig gebauter 250er Rudge (ein Python-Motor).

Das ganze Stück, eine 1932er Grindlay Peerless, wurde in nur 40 Einheiten gebaut. Damit möchte ich vor allem sagen, hier werden Maschinchen gepflegt, die einem Handwerker erheblichen Erfahrungen abverlangen.

Es ist dieses Ensemble an Kompetenzen, das mich so interessiert. Die Mischung aus Biographie, Handfertigkeit und speziellem Denkvermögen. Ich war dort gestern in Begleitung von Fredi Thaler, den ich inzwischen als meinen Mentor betrachten darf.

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Fredi Thaler

Wir diskutieren, was genau diese Art kultureller Ressourcen sei, von denen wir annehmen müssen, daß diese Gesellschaft sie gerade weitgehend preisgibt und zu verlieren droht; was uns noch teuer zu stehen kommen dürfte.

In Thalers Werkstatt sah ich gestern eine Puch 250 LM aus den 1920ern, die er gerade in Schuß bringt. Das ist der erste Doppelkolben-Zweitakter des Konstrukteurs Giovanni Marcellino. Darin besteht nun eine Verbindung zwischen Thaler und Cmyral.

Cmyrals Vater Siegfried war von Marcellino persönlich zu Puch geholt worden, schrieb als Puch-Werksfahrer österreichische Rennsportgeschichte. Das sind alles Abläufe, in denen permanent mechanische und thermodynamische Probleme gelöst werden müssen, die sich teilweise auch ineinander verschränken.

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Zeichnung aus dem privaten Album von Siegfried Cmyral (1903-1983)

Es ist die Arbeit am Ganzen, wovon diese Männer geprägt sind. Ein Kernthema der Industrialisierung. Es ist unsere arbeitsteilige Welt, in der Fabrikshalle noch zusätzlich fragmentiert, um die Stückzahlen zu erhöhen und Kosten zu senken. Ein problematisches Konzept.

Die Werkstätten dieser Mechaniker sind dessen Gegenteil. Mehr noch, da sie sich in Verknüpfung mit dem Wohnraum der Männer befinden, ergeben sie gesamt das, was früher Werkstätten und auch noch Manufakturen ausmachte. Die verknüpfung von ohn- und Arbeitsraum. Das bezeichnete in der Antike der Begriff "Oikos": Das "Ganze Haus"; daher "Ökonomie".

Daraus ergibt sich ein naheliegendes Motiv: Einen Gesamtzusammenhang leben, einen Gesamtzusammenhang bearbeiten. Das ist nicht, was wir in Fabriken finden, das ist auch für viele andere Berufsgruppen nicht selbstverständlich.

Es gibt sehr gute Gründe, an diesem Ringen um die Erfahrung des Gesamtzusammenhanges festzuhalten. Das ist keineswegs bloß eine Sache von Mechanikern, sondern generell bedeutend.

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