21. Jänner 2014Ein Gruß zur guten Nacht um 15:13 Uhr? Das bedeutet, mein Mädchen hat
gerade in Japan zu tun. Den Nagellack kann ich mir demnach nicht borgen, sondern muß ihn
mir in einem der Drogeriemärkte besorgen. Weiß und farblos. Was kostet sowas?
Eine Investition von knapp vier Euro erspart mir die
Beschaffung eines neuen Keyboards. Das kam so: Ich hab mir nie den harten Anschlag
abgewöhnt, der noch aus Zeiten von mechanischen Typenhebel-Schreibmaschinen stammt. (Eine
Schreiberfahrung, die ich übrigens vermisse.)
Computer-Keyboards waren dem einst gewachsen. Heute hau ich
damit in wenigen Monaten die Lettern von den Tasten. Davon wird die Schreibarbeit mühsam,
wenn der Finger etwa ständig zwischen U, I und O verloren geht. Auch die Zone F, G, H ist
sehr problematisch. Die Verkäuferin war ausgeschlafen und folgerte haarscharf, da könne
mir ein dünner "Nail Tattoo Liner" am besten nützen.
Ich möchte gar nicht wissen, was man mit einem normal
starken Nagellack-Pinsel anrichtet, wenn man darin ungeübt ist. Was mir gelang, muß als
ästhetische Grausamkeit qualifiziert werden, hat aber meine Trefferquote beim Schreiben
nun enorm erhöht.
Die Arbeit an so banalen Aufgaben läßt mir Zeit, um über
das Abendland und seine Werte nachzudenken. Diese Werte geistern ja stets durch
öffentliche Diskurse, obwohl heute niemand klar sagt, was damit gemein sein mag.
In unserer Gegend ist die nicht gestellte Frage leicht
abzuhaken, indem man zur Lektüre der zehn Gebote einlädt. Ich denke ja lieber über
intellektuelle Redlichkeit nach. Zur Bewertung von Redlichkeit frage ich nach einem
Fließgleichgewicht zwischen Denken, Reden und Tun.
In den letzten zwei Jahren habe ich von meinen
Arbeitsfeldern her sehr stark den Eindruck gewonnen, daß der Zugriff auf Ressourcen und
das Verlangen nach Prestigegewinn von enormen Kräften des Wünschens angetrieben werden.
Hätten wir nun von dem zu reden, was mir gestern in der "Kleinen
Zeitung" auffiel? Ich habe mich spontan gefragt, welche Maßeinheit das wohl
sei, der "niedere Instinkt". Mein Verdacht: Ein "hoher
Instinkt" ist gar nicht erst vorgesehen, weil hohe Gesinnung als individuelle
Errungenschaft angesehen wird, während niedere Instinkte wohl als naturgegeben betrachtet
werden. Der Kontrast soll unsere Anstrengungen betonen, falls wir sie erbringen.
Dazu paßte mir dann ein nächtliches
Filmvergnügen, Alain Delon in "Der Fall Serrano" (1977, Georges Lautner), worin Klaus
Kinski den Chef der Bösewichte sehr würdig gibt, die Filmmusik exquisit ist und die
Dialoge etwas taugen. Überdies hat der Film, wo er von Moral handelt, auch eine Moral.
Die ist bloß etwas überraschend angelegt. Delon/Maréchal
sagt in der Schlußszene: "Die Korruption widert mich an, aber die Tugend läßt
mich schaudern." Da kann man ins Grübeln kommen.
Das Grübeln ist bei mir momentan freilich anderen Dingen
gewidmet, da ich begonnen habe, mir die "Erfindung des Mopeds" genauer
anzusehen, was weit unterhaltsamer ist, als man auf ersten Blick annehmen möchte.
Wissenschafter Matthias Marschik, mit dem ich das noch
vertiefen werde, seufzte eben via Email: "Puh, jetzt geht der Forscher Krusche
ans Eingemachte, das eigentlich schon in meinen Aufgabenbereich fiele!"
Daraus darf geschlossen werden, daß es ein zu einem Buch
führen könnte, wenn wir uns darüber weiter austauschen. Die Einübung und das
Aufwärmen in dieser Sache absolviere ich in der Abteilung unseres "Kuratorium
für triviale Mythen"; siehe: [link]
Meine Grundannahme, daß wir "Ikarier"
seien, also in aufrechter Gefolgschaft des verrückten Ikarus, will ja angemessen
begründet werden... |