7. Dezember 2013

Wie man unseren Lauf der Dinge auch dreht und wendet, stets bleiben diese zwei Wünsche im Zentrum der Gravitationsfelder: Zugang zu Ressourcen und Prestigegewinn. Wenn wir das sehen dürfen, wird es uns vermutlich leichter fallen, miteinander zu vereinbaren, auf welchen Arten diese Wünsche zivilisiert werden können.

Wir machen hier in der Oststeiermark die interessante Erfahrung, daß wir über ein Genre in neue Kommunikations- und Kooperationslagen kommen. Kunst wird in der Begegnung mit Politik, Verwaltung und Wirtschaft nun nicht mehr bloß als dekoratives Freizeitthema mit einigen sozialen Qualitäten verstanden. Wir haben ein Feld betreten, auf dem sich allerhand Zusammenhänge sehr viel gewichtiger anordnen lassen.

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In Gleisdorf verhandeln wir heute die Sache der Kunst in laufenden Arbeitsgesprächen, die an eben jenem runden Tisch stattfinden, an dem sonst der Gemeinderat zusammenkommt. Eine symbolisch bemerkenswerte Situation.

Ich habe in einem Statement zu unserem kommenden April-Festival notiert: "Wir übernehmen darin Verantwortung für den Zugriff auf Definitionsmacht." [Quelle]

Das ist auch für "The Track: Axiom | 2014" ein zentraler Aspekt, denn da geht es jetzt nicht bloß um so etwas wie "künstlerische Beiträge" zum großen historischen Thema, zu den hundert Jahren nach den Schüssen von Sarajevo.

Es geht darum, in der "Erzählung von uns" Stimmen zu erheben, diese Erzählung mitzugestalten.

Die Differenzierung in solchen Prozessen, an der mir liegt, bürdet dabei nicht der Kunst bestimmte Pflichten auf, sondern fordert die Kunstschaffenden als Bürgerinnen und Bürger, die ihre Möglichkeiten in der Kunstpraxis verfeinern, vertiefen. Ist der Unterschied deutlich?

In einer aktuellen Grazer Streitschrift zur Kulturpolitik fand ich die Überschrift "Kunst kann die Welt verbessern." Ich widerspreche. Das kann sie nicht und soll sie nicht, sie ist kein soziokultureller Werkzeugkasten zum Reparieren gesellschaftlicher Problemlagen, sie ist keine Werkstatt für die Welt.

Ich kann nur staunen, daß in meinem Metier offenbar immer noch diese utilitaristische Sichtweise dominiert. So argumentiert man im Bezugssystem einer konservativen Auffassung von Kulturpolitik, was mir allerdings für die Steiermark derzeit plausibel erscheint.

Die Quasigewerkschaft IG Kultur Steiermark konnte, wie es scheint, nach mehreren Jahren unter dem Vorsitz von Anita Hofer ihr aktuelles Wesen einer Art soziokulturellen Kameradschaftsbundesals normativ durchsetzen. Hofer ist inzwischen akklamierte Vorsitzende der IG Kultur Österreich geworden, Einwände sind nicht laut geworden.

Wo konsequente inhaltliche Arbeit durch Aktionismus ersetzt wurde, konnte es dann eben zu eher aktionslastigen Kunstkonzepten kommen, die sich etwa über Word-Raps der Politik empfehlen. Da heißt es dann zum Beispiel, ich hoffe: augenwzinkernd "kunst macht sinn. kunst macht unsinn. kunst ist supersexy. kunst ist abgehoben. kunst ist wertvoll. kunst dauert. kunst macht angst."

Solches supesexy Gestammel geht mir vor allem einmal auf die Nerven und bestärkt meinen Verdacht, daß die Kunst mit Mitteln des Mainstream-Werbesprechs promotet werden soll. Das heißt nach meinen Kriterien auch: Diese Kulturschaffenden haben sich möglicherweise mit dem Boulevard arrangiert.

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Kleiner Einschub : Es war nicht gar so lustig, aber durchaus anregend, bei Barbara Karlich einige Fragen der Kunst zu debattieren. Sie hatte mir ein paar kontraststarke Personen vorgesetzt; von links: Ein Lagerarbeiter mit profunden Ansichten zur Sache, ein Schlosser, der aus Altmetall Lampen und Figuren macht, eine Bäuerin, die einen Weltrekord im Bemalen und Dekorieren von Eiern hält. (Foto: ORF)

Ich meine, wir sollten in der Lage sein, der Kunst keine PR-Maßnahmen umzuhängen, wenn in derlei Situationen an Klarheiten zu arbeiten ist. Aber zurück zu den steirischen Belangen.

Das genannte Papier, aus dem ich zitiere, ist etwa hier als PDF-Datei verfügbar: [link] Was trennt uns nun in der Betrachtung und in der Praxis? Wir können "die Welt verbessern", wenn es denn sein soll, wir als handelnde Subjekte. Die Kunst ist die Kunst. In der Zuwendungen zur Kunst, in der Befassung mit ihr, kann es sein, daß ich mich folglich auch der Welt stärker zuwenden möchte; oder mich konsequent von ihr abwenden.

Dabei hat die Kunst dann gar nichts gemacht.

Daher meine auch auch, daß die Kulturpolitik sich mit mir und nicht mit der Kunst auseinandersetzen muß. Ich begrüße es, wenn in Politik und Verwaltung ausreichende Kunstaffinität zu finden ist, das könnte manches leichter machen. Aber ich bin nicht überzeugt, daß es eine Conditio sine qua non ist.

Das heißt, ich möchte annehmen, eine kluge Politikern, ein intelligenter Verwaltungsbeamter muß nicht einmal ausgesprochen kunstaffin sein, um eine adäquate Kulturpolitik mitzugestalten.

Ich berufe mich in diesen Ansichten unter anderem auf Nikals Luhmann, der etwa im Vorwort zu "Die Kunst der Gesellschaft" lapidar notierte: "Und daß überhaupt von Kunst die Rede ist, liegt nicht an besonderen Neigungen des Verfassers für diesen Gegenstand, sondern an der Annahme, daß eine auf Universalität abzielende Gesellschaftstheorie nicht ignorieren kann, daß es Kunst gibt."

Wir können über den "kommunikativen Gebrauch von Kunstwerken" (Luhmann) reden, aber kaum über einen kommunikativen oder sozialen Gebrauch der Kunst.

Sie denken, diese Unterscheidung sei nachrangig? Ich denke das nicht. Ich halte es zwar für möglich, daß man in der Kunst Bemerkenswertes vollbringt, ohne zu wissen was man tut. Aber in der Kulturpolitik geht das sicher nicht. Demnach sollte man mindestens zwischen Kunst und Kunstwerk unterscheiden können.

Das sind nun einige Aspekte zur Begründung, weshalb ich in den Debatten die Kunst gegen ihre politische und gesellschaftliche Funktionalisierung verteidigen möchte. Ich verstehe zwar die vorgebrachten Argumente, sehe sie aber primär im Kontext der Bemühungen, sich Ressourcen greifbar zu machen und Prestige zu gewinnen. Das sind keine Agenda der Kunst!

[The Track: Axiom | 2014] [Generaldikumentation]

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