2. Dezember 2013

In Österreich wissen wir heute noch "Kaiserwetter" zu schätzen. Eine merkwürdige Ergebenheit gegenüber dem verflossenen Herren, worin auch die Annahme geborgen ist, daß die ungetrübte Sonne vor allem einmal für den Kaiser zu scheinen hatte..

Damit nahm einst die apostolische Majestät huldvoll eine bevorzugte Stellung in Kauf, die eben diesem, wie könnte man es ausdrücken?, quasi christlichen Basisbezug einer auf den Apostedienst zurückgefürhten Legitimität natürlich zur Nebensache werden ließ. Die christlichen Werte der Majestät als bloßes Dekor.

Wenn wir uns heute neckisch in kaiserlichen Querbezügen sonnen, ist das vielleicht einfach der Ausdruck von österreichischer Schrulligkeit und Verhaltensoriginalität. Aber es ist eben auch Zeugnis der propagandistischen Nachwirkungen jener Ära.

log1932b.jpg (26630 Byte)

Wir lustigen Kampel und Gemütsmenschen drücken auch gegenwärtig noch gerne unsere Verehrung jemandes aus, indem wir ihn zu einem Kaiser erklären. Derartige Kaiserinnen kenne ich allerdings nicht. Frauen müssen sich damit begnügen, zur Königin erklärt zu werden.

Nun trennen sich aber gleich Spreu von Weizen, denn man muß mit dem Wesen Österreichs schon gut vertraut sein, um es keinesfalls für irritierend zu halten, daß wir immer noche noch viel auf unsere Kaiserin Maria Theresia geben, dieses Idela an Mütterlichkeit und Pflichterfüllung, obwohl sie genau das nie gewesen ist, nämlich Kaiserin.

Während nun die Königin Maria Theresia tatsächlich regiert hat, war unsere populärste Kaiserin offenbar nur mit sich selbst beschäftigt. Kaiserin Sissi galt außerdem als apostolische Königin von Ungarn, was dem Rang ihres Mannes entsprach. Franz Joseph I war unter anderem "von Gottes Gnaden" Kaiser von Österreich und apostolischer König von Ungarn. (Das sind natürlich nur Fragmente des Großen Titels des Kaisers von Österreich.)

Gestern hat man in der Kleinen Zeitung einen herausragenden Sportler gewürdigt, einen Mann von makellosen Ruf, der große Erfolge errungen hat. Die saloppe Zuschreibung "Skikaiser", "Abfahrtskaiser" sind breiter Sympathie und unserem Enthusiasmus geschuldet.

Einen Wikipedia-Eintrag zu Franz Klammer mit dem Satz "He is known as 'The Kaiser' and also as the 'Klammer Express'." [link] weiß ich als Freundlichkeit zu deuten. Da muß man nicht kleinlich sein.

log1932a.jpg (40414 Byte)

(Quelle: Kleine Zeitung vom 1.12.13)

Daß aber Klammer für die Medien alktuell mit eben jenem Kaiser posiert, der 1914 ein Massensterben von apokalyptischen Ausmaß eröffnet hatte, ohne daß sein Land unmittelbar von einem äußeren Feind bedroht gewesen wäre, hat etwas Obszönes.

Da Klammer in eben dieser Pose  gerne gesehen wird, zeigt uns die enorme Wirkung von Propaganda und Ideologie, denn jener habsburgische Herr mit seiner selbstverliebten Kaiserin stand einer Aristokratie vor, die schon in Friedenszeiten unseren Vorfahren die Haare vom Kopf gefressen hat.

Österreichs Eliten zeichneten sich im Großen Krieg besonders dadurch aus, daß viele dieser Leute die Rationierungen und den Hunger des Volkes ignorierten, sich bei der Ausgabe verknappter Mittel bedenkenlos weit mehr nahmen als ihnen zustand und Behördenvertreter so zu zahlreichen Beschwerden zwangen.

Wir haben nie eine Vorstellung entwickelt, was von einem Herren zu halten sei, der seine Firma versenkt, indem er die ganze Belegschaft in ein Blutbad schickt. So sehr sind wir also mental Untertanen geblieben, die nicht einmal erinnern dürfen, was ihnen diese Herrschaft real gewesen ist.

Das wirft die interessante Frage auf, ob solche Zustände als Bedingung staatlicher Wir-Konstruktionen verstanden werden sollten, die deshalb so stabil sein müssen, weil wir vorerst keine besseren haben.

Anders ausgedrückt: Sind wir für unsere nationalen Narrative darauf angewiesen, uns diese Herrschaften schönzureden? Und falls ja, was eventuell auch im Echo der Nazi-Ära zu finden ist, welcher Art könnten zeitgemäße Grundlagen für eine Wir-Konstruktion sein?

[The Track: Axiom | 2014] [Generaldikumentation]

[kontakt] [reset] [krusche]
49•13