2. Dezember 2013In Österreich wissen wir heute noch "Kaiserwetter" zu schätzen.
Eine merkwürdige Ergebenheit gegenüber dem verflossenen Herren, worin auch die Annahme
geborgen ist, daß die ungetrübte Sonne vor allem einmal für den Kaiser zu scheinen
hatte..
Damit nahm einst die apostolische Majestät huldvoll eine
bevorzugte Stellung in Kauf, die eben diesem, wie könnte man es ausdrücken?, quasi
christlichen Basisbezug einer auf den Apostedienst zurückgefürhten Legitimität
natürlich zur Nebensache werden ließ. Die christlichen Werte der Majestät als bloßes
Dekor.
Wenn wir uns heute neckisch in kaiserlichen Querbezügen
sonnen, ist das vielleicht einfach der Ausdruck von österreichischer Schrulligkeit und
Verhaltensoriginalität. Aber es ist eben auch Zeugnis der propagandistischen
Nachwirkungen jener Ära.
Wir lustigen Kampel und Gemütsmenschen
drücken auch gegenwärtig noch gerne unsere Verehrung jemandes aus, indem wir ihn zu
einem Kaiser erklären. Derartige Kaiserinnen kenne ich allerdings nicht. Frauen müssen
sich damit begnügen, zur Königin erklärt zu werden.
Nun trennen sich aber gleich Spreu von Weizen, denn man muß
mit dem Wesen Österreichs schon gut vertraut sein, um es keinesfalls für irritierend zu
halten, daß wir immer noche noch viel auf unsere Kaiserin Maria Theresia geben, dieses
Idela an Mütterlichkeit und Pflichterfüllung, obwohl sie genau das nie gewesen
ist, nämlich Kaiserin.
Während nun die Königin Maria Theresia tatsächlich
regiert hat, war unsere populärste Kaiserin offenbar nur mit sich selbst beschäftigt.
Kaiserin Sissi galt außerdem als apostolische Königin von Ungarn, was dem Rang ihres
Mannes entsprach. Franz Joseph I war unter anderem "von Gottes Gnaden"
Kaiser von Österreich und apostolischer König von Ungarn. (Das sind natürlich nur
Fragmente des Großen Titels des Kaisers von Österreich.)
Gestern hat man in der Kleinen Zeitung einen
herausragenden Sportler gewürdigt, einen Mann von makellosen Ruf, der große Erfolge
errungen hat. Die saloppe Zuschreibung "Skikaiser", "Abfahrtskaiser"
sind breiter Sympathie und unserem Enthusiasmus geschuldet.
Einen Wikipedia-Eintrag zu Franz Klammer mit dem
Satz "He is known as 'The Kaiser' and also as the 'Klammer Express'." [link] weiß ich als
Freundlichkeit zu deuten. Da muß man nicht kleinlich sein.
(Quelle: Kleine Zeitung vom 1.12.13)
Daß aber Klammer für die Medien alktuell mit eben jenem
Kaiser posiert, der 1914 ein Massensterben von apokalyptischen Ausmaß eröffnet hatte,
ohne daß sein Land unmittelbar von einem äußeren Feind bedroht gewesen wäre, hat etwas
Obszönes.
Da Klammer in eben dieser Pose gerne gesehen wird,
zeigt uns die enorme Wirkung von Propaganda und Ideologie, denn jener habsburgische Herr
mit seiner selbstverliebten Kaiserin stand einer Aristokratie vor, die schon in
Friedenszeiten unseren Vorfahren die Haare vom Kopf gefressen hat.
Österreichs Eliten zeichneten sich im Großen Krieg
besonders dadurch aus, daß viele dieser Leute die Rationierungen und den Hunger des
Volkes ignorierten, sich bei der Ausgabe verknappter Mittel bedenkenlos weit mehr nahmen
als ihnen zustand und Behördenvertreter so zu zahlreichen Beschwerden zwangen.
Wir haben nie eine Vorstellung entwickelt, was von einem
Herren zu halten sei, der seine Firma versenkt, indem er die ganze Belegschaft in ein
Blutbad schickt. So sehr sind wir also mental Untertanen geblieben, die nicht einmal
erinnern dürfen, was ihnen diese Herrschaft real gewesen ist.
Das wirft die interessante Frage auf, ob solche Zustände
als Bedingung staatlicher Wir-Konstruktionen verstanden werden sollten, die
deshalb so stabil sein müssen, weil wir vorerst keine besseren haben.
Anders ausgedrückt: Sind wir für unsere nationalen
Narrative darauf angewiesen, uns diese Herrschaften schönzureden? Und falls ja, was
eventuell auch im Echo der Nazi-Ära zu finden ist, welcher Art könnten zeitgemäße
Grundlagen für eine Wir-Konstruktion sein?
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