30. September 2013 Für
das Protokoll: Ja, das war aufmunternd. Diese Nationalratswahl. Besonders in der
Steiermark, wo ich nun mindestens im Bereich der Social Media feststelle: Da hat
es manchen kurz die Sprache verschlagen, auch wenn die harmlose, nein, fast schon nutzlose
"Mausklick-Demokratie" erneut zu summen und brummen beginnt.
Ich gehe davon aus, daß in der Steiermark SPÖ und ÖVP
gleichermaßen stark konservativ geprägt sind. Dazu nun das rechtspopulistische Lager, wo
allein die FPÖ rund ein Viertel der Stimmen bekommen hat.
Die Haare von Hace Strache (links
unten)
Wer heute noch meint, Strache sei kaum mehr als eine
schwächelnde Kopie von Haider, wird vermutlich an seinen oder ihren Kriterien arbeiten
müssen. Was ist geschehen? Meine Quelle für die anschließend genannten Zahlen, ein
vorläufiges Endergebnis ohne Briefwahl und ohne Wahlkarten: [link]
Die Wahlbeteiligung lag bei müden 66%. Immerhin
9.518 von 644.442 Stimmen waren ungültig abgegeben worden. Das rechtspopulistische Lager
erhielt in Summe 39,42%, was sich folgerndermaßen aufschlüsselt: FPÖ: 25,1%, BZÖ:
3,96%, Frank: 10,07%, CPÖ: 0,29%.
SP und VP bieten gemeinsam nicht gar so viel mehr auf,
nämlich: 44,78%. Darf ich damit rechnen, daß ein kritisches Potential im Land nun
einmal a) diesen Status quo möglichst unaufgeregt zur Kenntnis nimmt und b) einigermaßen
in Ruhe darüber nachzudenken beginnt, was das bedeutet und was es verlangt?
Sie ahnen hoffentlich, daß mir dieser Stand der Dinge
mißfällt. Die äußerst effiziente Polemik des vaterländischen Strache ist mir ebenso
schwer erträglich, wie Frank Stronachs völlig geistlose, mehrfach wiederholte Phrase "Es
kommt wie es kommt", als er zum Wahlergebnis befragt wurde.
Aber ich nehme zur Kenntnis, daß politische und
weltanschauliche Opponenten in dieser Demokratie einen harten Job gemacht haben, der zu
einem beeindruckenden Ergebnis führte. Und ich nehme zur Kenntnis, daß dort Leute ihren
Emotionen und Auffassungen ebenso mit Hingabe folgen wie ich den meinen.
Es widerstrebt mir, herabwürdigen zu wollen, was ich
mißbillige. Wenn ich ein Anderer sein soll, dann werde ich nicht sein wie sie. Das muß
feststehen.
Ich ziehe es vor, ihnen in Augenhöhe zu begegnen und nicht
durch schlampiges Geschrei auszuschließen, daß ich höre und verstehe wovon sie reden.
Ja. Ich und sie. Da ist eine Trennlinie. Da sind getrennte Standpunkte.
Aber wir können nicht wegwischen, daß in Europa
mindestens seit den 1980er-Jahren eine Neue Rechte sehr zielstrebig und effizient
Richtung Gemeindestuben und Parlamente zieht. Wie viel Ignoranz und selbstreferenzielles
Getue habe ich in meinem Milieu sehen müssen, wodurch dieser Prozeß nicht einmal
angekratzt wurde?
Für mich gibt es jetzt nur die Option, jene politischen
Opponenten sehr ernst zu nehmen und darüber zu klären, welche anderen Positionen
markiert, befestigt sein sollen. Vor allem aber wäre zu klären, wie das gemacht werden
kann, wozu ich mich übrigens in keiner Weise ratlos fühle.
Wo ich mich kämpferisch fühle, liegt mir an
Trennschärfe. Damit meine ich: Wenn mir nach kämpfen ist, bekämpfe ich die Tyrannis,
aber nicht politische Opponenten. Ich hüte mich vor Feindbildern, denn die trüben den
Blick.
Worum ist zu ringen? Um Begriffe. Um die öffentlichen
Diskurse. Um subtiler bespielte Zonen neben dem Boulevard. Um reale soziale
Begegnungen mit Leuten aus Politik und Verwaltung. Um Kooperationen; auch mit den
Opponenten.
Ich möchte erneut die türkische Künstlerin Deniz Gül
zitieren, die in einem unserer Projektverläufe mir den ermordeten Publizisten Hrant Dink
aus ihren Begegnungen so schilderte: "Reden, reden, reden, bis wir einander
kannten."
Ich sehe keine Alternative zu diesem Ansatz und in der
Vermeidung von Kriegs-Rhetorik bei politischen Auseinandersetzungen. Wenn sich jemand, wie
ich, im Lager der Kunst wähnt, dann sollten Reflexionsvermögen und Ausdruckskraft so
weit ausreichend gegeben sein, nicht die Modi und Sprachregelungen der Vaterländischen
und der Rechtspopulisten zu übernehmen.
Wenn etwas taugt, was meine Möglichkeiten als Künstler
ausmacht, dann sollte es mich auch befähigen, als Staatsbürger angemessen zu handeln, um
die haltlose Trivialisierung öffentlicher Diskurse wenigstens dort zu stoppen, wo ich
gerade stehe. Das sind bloß zwei fußbreit Boden. Mehr nicht. Aber darüber kann ich
verfügen. |