20. September 2013 Behauptungsgesellschaft.
Hab ich das Wort von Peter Turrini? Ich weiß es nicht mehr. Kürzlich, nach der diSTRUTURA-Session
in der Akademie Graz, saß ich nachts auf dem Jakominiplatz. Wartend.
Da erleuchtete plötzlich diese Garnitur den Platz. Hell,
von dynamischen Linien überzogen. Darauf prangend diese Generalfloskel: "More
than". Ausdruck einer Selbsterregung der bedeutungsschwangeren Schwätzer. Dies
und das sei nicht, was es eben ist, sondern es sei mehr als das.
Was mehr? Gemessen woran mehr?
Die dumme Geste durchdringt alle Lebensbereiche. Andauernd
verkündet mir jemand sowas. Es besagt, daß nun nicht mehr gewußt wird, wovon man
eigentlich redet. Darum dieses Raunen, statt einer klaren Aussage. Trost und
Ergriffenheit. Heilsversprechen. Was ich dir biete, ist viel mehr als es zu sein
scheint, frag nicht, freu dich, glaube!
Hier wird mit Glaubensgegenständen gehandelt. Das ist
quasireligiöse Prosa. Lassen Sie mich etwa diese Dame fragen: Wie tragen Sie dazu bei,
daß ich einen Job bekomme? Auf welche Art sorgen Sie dafür, daß er qualitativ auf neue
Sinnebenen kommt? Welche Art Sinn haben Sie dabei im Sinn? Worin besteht also dieses "mehr"?
Ich weiß es nicht und ich wette, Sie wissen es auch nicht.
Welche Art von Kommunikation ist das demnach, die sich
derart in unseren Alltag schraubt? Was sich da an Blendwerk auftut, hat das Zeug zur
normativen Kraft. Ich dachte ja bisher, daß beispielsweise unser Kunstfeld davon
ausgenommen sein müsse, weil jeder Mangel an Kohärenz und Folgerichtigkeit unweigerlich
zerstören würde was wir tun und was wir sind.
Kohärenz und Folgerichtigkeit. Wo das nicht
gesichert wäre, würde unser Metier zur Falschmünzerei verkommen. Was bliebe dann von
den symbolischen Gütern, mit denen wir arbeiten? Da sollte also eine Verbindlichkeit
möglich sein. Eine Art von grundlegendem Konsens, daß wir die eigenen Fundamente nicht
unterspülen, indem wir etwa selbstgewählte Regeln brechen und die Stichhaltrgkeit
künstlerischer Praxis aufs Spiel setzen.
Ich habe eingangs die diSTRUTURA-Session erwähnt,
Teil unseres heurigen Kunstsymposions. Dazu gehörten künstlerische Akzente und
Diskurse. Auf dem kommenden Foto sieht man links Milan Bosnic, eine Hälfte von diSTRUTURA,
rechts den ortlos-architect Ivan Redi. Mit beiden verbindet mich eine
längerfristige Kooperationsgeschichte, mit Redi eine sehr lange.
Für uns ist einigermaßen klar, was die Elemente von
Professionalität sind und wie die Dinge vorankommen können. Sind das allgemeine
Standards? Keineswegs! Gibt es darüber breitere Übereinstimmung? Keineswegs!
Dieses Kunstsymposion hat eine interessante Querverbindung.
Es wurde nach dem Frühjahr und über diesen Sommer quasi zum Angelpunkt regionalen
Kulturgeschehens mit der Option weiterführender Kooperationen in der Oststeiermark. Das
ist angesichts laufend sich verknappender Ressourcen prinzipiell ein wichtiger Ansatz; so
dachte ich.
In diesem Zusammenhang habe ich heuer einen 70.000
Euro-Deal realisiert, in den eine Reihe benachbarter Kulturinitiativen einstiegen.
Zusammenfassend läßt sich sagen: Dort, wo avancierte Gegenwartskunst auf Profi-Ebene
Standard ist, trug die Zusammenarbeit feine Früchte.
Andere hatten die Stirn, einfach das Geld zu nehmen und
getroffene Vereinbarungen zu ignorieren. Das ist vor allem angesichts der ungewöhnlichen
Budgethöhe, in unserem Milieu keineswegs selbstverständliche Beträge, Ausdruck einer
enormen Chuzpe.
So haben wir zum Ausklang des Kunstsymposions eine sehr
schlüssige Situation, um uns nun für die nahe Zukunft zu orientieren. Der Status quo
oststeirischer Verhältnisse wird sich einigermaßen päzise beschreiben lassen...
-- [Die Dokumentation]
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