7. August 2013

Heute geht es in die Konferenz mit Künstler Selman Trtovac und Kulturwissenschafter Günther Marchner. Ich bin -- zugegeben -- auf der Schwelle zu einer neuen Komplexitätskrise. Zumal hier gerade in der aktuellen Kooperation mit "KOMM.ST" und "K.U.L.M." eine, hm, Situation zutage getreten ist. Darin spielt die sogenannte "Festival-Kunst-Allianz" eine spezielle Rolle.

Wir sind alle längst keine Teenies mehr, die an ihrem Leben herumprobieren, ohne gleich für jede falsche Entscheidung gerade stehen zu wollen. Wir befinden uns überdies in einem Umbruch zu grundlegend neuen Bedingungen des regionalen Kulturgeschehens.

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PROJEKTBESPRECHUNG IM APRIL 2013

Gemeindezusammenlegungen, endende EU-Förderperioden, eine österreichische Nationalratswahl im Herbst, dank derer bis dahin keinerlei politische Entscheidungen in unserem Metier fallen, also jede Menge Unklarheiten und Unwägbarkeiten.

Das ist eine Situation, in der allfälliger Mangel an Professionalität in einzelnen Bereichen aufwendiger Projekte doppelt und dreifach wiegt, weil er die Abwicklung von Umbrüchen belastet und Ergebnisse schmälert, was wiederum die "Kreditwürdigkeit" kultureller Formationen beschädigt..

Und das, genau das, die Beschädigung der Kreditwürdigkeit kultureller Formationen in der Provinz, ist gerade jetzt der maximals Sündenfall Kulturschaffender, denn seit Sommer 2010 ist dank des "Gemeindebundes" völlig klar, daß kein Bereich bei Bevölkerung und Bürgermeistern so hohe Zustimmung für KÜRZUNGEN hat wie der Bereiche "Kunst und Kultur".

Wer also in unseren Reihen JETZT schlampt, schwindelt, Mist baut, untergräbt damit aktuelle Bemühungen und die Arbeit von Jahren.

Aber zurück zu den Agenden von "kunst ost" und "kultur.at". Nach den „Styrian Sessions" [link] in Gleisdorf und Graz, bei denen das serbische Duo „diSTRUKTURA" im Fokus der Tage stand, folgten nun einige „Balkan Sessions", die sich teilweise um Optionen des Sammlers Marinko Sudac drehen.

Dabei ist manches in der Schwebe. Virtuell begleiteten mich a) der Journalist Leo Trotzki und b) der Historiker Karl Kaser. Beide haben mir eine Fülle von Denkanstößen in den Weg gelegt, denn auf dem Balkan ist mir stets das gewiß: Ich weiß nie genau, was ich schon weiß. Vieles hat doppelten Boden und eine Geschichte in der Geschichte der Geschichte.

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Vorweg ein paar gesicherte Aspekte: Ich hatte auf dem Balkan nie ein besseres Büro als die Gaststube des „Dunavski Pirat", wo die Fischsuppe, das Bier und der Kaffee nie versiegten. (Fischsuppe muß ich immer haben, wenn ich auch bloß in die Nähe von Gewässern komme.) Ein Haus, das zur Hälfte auf Stelzen steht, weil der breite Fluß gelegentlich stark ansteigt. Der „Pirat" befindet sich nahe Beograd, allerdings jenseits der Donau, auf der Seite, die nach Pancevo weist.

Wenige Schritte davon entfernt liegt das Areal, auf dem sich das Kollektiv „Treci Beograd" sein Haus der Kunst erbaut hat. Ich fand Gelegenheit, einige Schrauben und Nägel beizutragen. Trunken und fröhlich. Es waren die Tage, als wir „Treci Beograd" und die „Kollektiven Aktionen" zusammengebracht hatten, was wir, auf die weiteren Vorhaben bezogen, in einem freundlich gehaltenen Vertrag festgeschrieben: [link]

Egal, wo ich gerade bin, meine Erinnerungen ziehen stets Schleifen und durchsetzen die Gegenwart mit Teilchen älterer Ereignisse. Wir sind gerade auf dem Weg zu jenem Gleisdofer Kunstsysmposion, das uns am Vorabend zum symbolträchtigen Jahr 2014 einige Klarheiten für den Rückblick auf 1914 bescheren soll: [link]

Das führt, wie angedeutet, auch real auf balkanischen Boden, wofür es mehr Gründe gibt als mir gerade einfallen. Und sei es, wie jetzt, in der größten Sommerhitze.

Ich habe den Historiker Karl Kaser erwähnt. Sein Buch "Freundschaft und Feindschaft auf dem Balkan" enthält einen Teil, dessen Titel sein Vortragsthema bei unserem Kunstsymposion ergibt: "Die Euro-balkanische Herausforderung".

Man muß etwa bei Karl Kautsky gelesen haben, wie arrogant, zynisch und brutal im Haus Habsburg über die südslawischen Leute gedacht und verfügt wurde. Darin hatte sich auch der schrullige deutsche Kaiser hervorgetan. Originalton Willem zwo: "Die Serben sind Orientalen, daher verlogen, falsch und Meister im Verschleppen."

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Das ist der Geist, in dem heute noch gedacht, geredet und teilweise gehandelt wird. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, Kaiser Franz Josefs Kriegs-Botschaft an seine Untertanen durchzusehen. Eigentlich grotesk, wie viel Heuchelei sich ein Imperator leistete, dessen Familie sich bis heute als von Gott legitimiert ansieht, einen besonderen Platz unter den Lebenden zu haben.

>>Als Ich nach drei Jahrzehnten segensvoller Friedensarbeit in Bosnien und der Hercegovina Meine Herrscherrechte auf diese Länder erstreckte, hat diese Meine Verfügung im Königreiche Serbien, dessen Rechte in keiner Weise verletzt wurden, Ausbrüche zügelloser Leidenschaft und erbittertsten Hasses hervorgerufen.<< [Quelle]

Betrachtet man, wie Österreich schon vor der Jahrhundertwende daran gegangen war, den Balkan zu kolonialisieren und dabei etwa die Menschen in Bosnien als eher minderwertige Kreaturen und billige Arbeitskräfte einzustufen, wie ja überlieferte Texte belegen, ist da eine ganz eigenartige Weise von Nord-Süd-Gefälle zu sehen, welche wir noch immer nicht verläßlich aus der Welt geschafft haben.

In der heutigen "Welt der Habsburger" kann das wenigstens sanft relativiert werden:

>>In diesen Formulierungen wird aus heutiger Sicht deutlich, wie der - bewusst und unbewusst - verengte Blick der Machthaber auf die politische Entwicklung zur Realitätsverweigerung wurde.<< Stephan Gruber [Quelle]

Allerdings ist diese Einschränkung "bewusst und unbewusst" mehr als zynisch, was deutlich wird, wenn man etwa einige der Korrespondenzen maßgeblicher Herren zur kriegserklärung von 1914 durchsieht. Die Habsburger und ihr Personal haben sich damals nicht in "Realitätsverweigerung" ergangen, sondern nach Kräften bemüht, eine neue Realität durchzusetzen.

In der "Welt der Habsburger" liest sich einigermaßen ungeschminkt:

>>Wenn schon keine "richtige" Kolonie auf einem anderen Kontinent, dann wenigstens so etwas Ähnliches: Ungefähr nach diesem Motto versuchten die Habsburger, Bosnien und die Herzegowina unter ihre Kontrolle zu bringen.<< [Quelle]

-- [the balkan sessions] --

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