21. Mai 2013

Bevor leistungsfähige Dampfmaschinen verfügbar waren, ist in unseren Breitegraden zweierlei als dominante Kraftquelle genutzt worden. Die Zugkraft von Ochsen und fließendes Wasser. Ein Gerinne, das sich im Winter eisfrei halten ließ, bedeutete Antrieb für allerhand Betriebsstätten. (Eis setzt einem Wasserrad und seiner Anlage schwer zu, verursacht enorme Schäden.)

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Ich hab noch nicht herausgefunden, wie der Grazer Mühlgang früher winters verfaßt war. Plural! Es müßte ja Mühlgänge heißen, weil auch nahe dem östlichen Murufer ein Mühlgang die Stadt durchquerte. Doch der wurde zugeschüttet.

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Nun wollte ich endlich einmal die nördlichste Passage des noch bestehenden Gerinnes sehen. Meine Suche begann bei einer verfallenen Mühle, die offenbar heute noch dem einstigen Bäcker- und Mühlenkonsortium gehört.

Eine wunderschönes, wenn auch völlig heruntergekommenes Anwesen, dessen Details, Proportionen und Gesamteindruck darin berühren, welche formalen Qualitäten aus Funktion und Erfahrung zustande kommen.

Erfahrung. Daran hatte ich es reichlich fehlen lassen, als ich in halblangen Hosen, die über den Knien enden, aufbrach. Jenseits der Mühle stand ich vor der Wahl, bei meiner Suche eine üppig von Brennesseln durchsetzte, großflächige Wiese zu durchqueren oder ohne Ergebnis wieder nach Hause zu fahren.

Westlich dieser Passage eine vierspurige Autostraße, östlich die breite Mur. Also durch, daß mir hinterher noch einen Tag lang schien, ich hätte brennende Strümpfe an. Wenn ein Stadtfrack sich in die Natur verirrt ;-)

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Hinterher war freilich klar, daß ich es hätte einfacher haben können. Aber so geht das eben mit dem Erwerb von Erfahrungen. Ich hab freilich nicht so sehr etwas gegen kleine Unannehmlichkeiten. Sie machen allerhand Erlebnisse höchst einprägsam. Das ist etwas, worüber unsere Sinne jubeln. Es muß ja nicht immer und ausschließlich ein angenehmes Gefühl ergeben.

Auf der Höhe jener von mir gesuchten Stelle läuft die Mur über eine Staustufe, was man von weitem eher hört als man es sieht. Dabei fiel mir einmal mehr auf, daß tosendes Wasser ein markantes Statement ist; so als sprächen die Elemente zu mir, obwohl ich diese Mitteilung nicht deutlich zu verstehen weiß.

Aber so viel ist klar, Kraft vermag sich in solchen Geräuschen auszudrücken, mitzuteilen. Wer je bloß bis zu den Knien in einem tobenden Gewässer gestanden hat, weiß genau, wovon hier die Rede ist.

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Mit glühenden Knien und Unterschenkel im Grünzeug herumzusteigen, das war mir eine feine Gegenposition zu den lebhaften Momenten der letzten Tage. Ich hab gerade auf einer eigenen Seite jene Links zusammengefaßt, die das bündeln. Von Anger zum Schloß Hartberg (voriges Bild) bis zum Florianiplatz in Gleisdorf: [link]

Nun habe ich noch über eine Kleinigkeit nachzudenken. Unsere Landkarten sind alle genordet, was bei üblicher Anschauung den Westen links und den Osten rechts liegen läßt. Die Mur, von Norden nach Süden verlaufend, hat hingegen im Westen das rechte und im Osten das linke Murufer.

Die Begründung dürfte schlicht drin liegen, daß ja nicht alle Flüsse von Norden nach Süden oder umgekehrt fließen, weshalb sich links und rechts aus der Flußrichtung ergibt. Sind wir uns ausreichend im Klaren darüber, wie vieles, was uns geläufig erscheint, nicht von fixen Positionen, sondern von Relationen handelt?

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