16. Dezember 2012Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß ausgeprägte Familienmenschen in der
Gegenwartskunst bemerkenswerte Positionen erreichen. Es ist mit den meisten Kunstformen
wie mit dem Tanzen oder dem Spielen einer Violine. Ohne konsequente Arbeit, ohne intensive
Befassung, ohne dichten Einsatz für das jeweilige Genre werden sich meist keinen
nennenswerten Ergebnisse erzielen lassen.
Wir hatten gestern eine weitere Session im Rahmen der "talking
communities" [link]
und dabei mit dem Kulturwissenschafter Günther Marchner eine Reihe kulturpolitischer
Fragen durchgenommen.
Da war freilich auch wieder das Lamento "Aber man
kann von der Kunst nicht leben" im Raum. Zutreffend! Wäre anzufügen: NIEMAND
kann in Österreich von der Kunst leben. Jene paar Leute, die aus bloß künstlerischer
Arbeit ein adäquates Jahreseinkommen beziehen, sind derart Minorität, daß sie als
Beispiel nicht zählen.
So lange wir die Evidenz dieses Faktums nicht verstehen
wollen, bleibt jede kulturpolitische Debatte aussichtslos. Ich kenne momentan nur eine
Argumentation, die NICHT marktorientiert über die Bühne geht und die auch nicht
den hundertprozentig vom Staat ausfinanzierten Kunstschaffenden zum Ziel hat.
Bedingungsloses Grundeinkommen für ein ganzes Volk. Und
das mit der Option, es sich nach eigenem Gutdünken zu verbessern. Aber diese Debatte
finde ich in meinem Milieu nicht. Also wäre kulturpolitisch kaum Neuland in Sicht.
Wäre...
Die Optionen von "kunst ost" sind
freilich an Möglichkeiten orientiert, Rollenbilder und Arbeitsbedingungen zu entwerfen,
über die wir in der Frage durchaus zu interessanten Ergebnissen kommen.
Was ich hier in den letzten Wochen beschrieben habe, dieses
Guerilla-Marketing einer Schnösel-Bourgeoisie auf Kosten des Kunstgeschehens, ist eine
deutliche Gegenposition zu solchen Schritten. Aber das macht insofern nichts, als
Innovation auf diesem Feld, so sie sich als tauglich erweist, derlei rückwärtsgewandten
Phänomenen trotzen können sollte.
Ich hab dann auch noch ganz andere Dinge zu tun. Unser
Büchlein [link]
über die Mobilitätsgeschichte am Beispiel des "Pucherls" ist nun auf
dem Markt. Wieder ein Projekt, das mich von ausschließlicher Konzentration auf die Kunst
abgehalten hat und daher meinem Reüssieren als Kunstgröße eindeutig im Wege steht ;-))
Mein Autorenkollegen Matthias Marschick [link], mit dem ich an dieser
Geschichte gearbeitet hab, gehört wie der eingangs erwähnte Günther Marchner zu jenem
Feld kulturwissenschaftlich versierter Menschen, mit denen ich hier die Kooperationen noch
intensivieren möchte.
Das bedeutet AUCH, wir erweitern jenseits des
Landeszentrums Möglichkeitsräume eines geistigen Klimas, in denen wir den Zentrumsleuten
nichts nachstehen. Das schließt freilich Aktivitäten in Graz nicht aus, handelt auch von
Kooperationen mit Zentrumseinrichtungen.
Unsere Zusammenarbeit mit dem "Johann Puch-Museum
Graz" [link] kommt
gerade in eine sehr spannende Phase. Das "Girls: Art&Sci_Lab" [link] entwickelt sich vom Start weg
ganz vorzüglich. (Oben rechts Künstler Niki Passath in der jüngsten Session.)
Dabei hat Initiatorin Mirjana Peitler-Selakov nun erreicht,
daß sich Kathryn List für dieses Projekt interessiert und eine Kooperation mit ihrer
Foundation [link] in Erwägung zieht.
Und meine eigene künstlerische Arbeit? Die ereignet sich
selbstverständlich auch. Laufend. Aber eher nicht im Vordergrund, zumal ich sie
eigentlich wie eine Art Forschungsarbeit verstehe, die -- so gesehen -- kaum auf Publikum
angewiesen ist.
Zur Jahreswende hin werde ich eine weitere Station
realisieren, und zwar in Novi Sad, wo unsere "talking communities"
ihren Ausgangspunkt hatten. Das ist zur Zeit der Bereich "the track: axiom":
[link]
Es wäre freundlich, würden Sie mir ein wenig die Daumen
drücken, auf daß sich die kommenden Jahre etwas moderater entfalten mögen. Die letzten
zwei haben eine derart kontinuierliche Anstrengung zugunsten der Rahmenbedingungen
verlangt, daß mir die künstlerische Praxis bei weitem zu kurz kam. Darin würde ich eine
Verschiebung der Möglichkeiten sehr begrüßen... |