27. Oktober 2012Als die Temperatur wieder gefallen war und der ganze Tag so bedeckt
gewesen ist, habe ich mir Regen gewünscht, denn ohne Regen wäre es nicht passend
gewesen. Der kam dann erst nachts, als ich schon sehr müde war.
Wie viele Jahre verbringe ich nun damit, mit aus
ungezählten Fragmenten ein ganzes Jahrhundert zusammenzusetzen, ein grobes Bild, damit
ich sehen kann, womit ich es zu tun habe?
Dazwischen Splitter. Scharfes Kleinzeug, das an meiner
Contenance kratzt. In der abgelaufenen Woche, bei der Lektüre des Romans Weiße
Mischung" von Andrea Wolfmayr, war ich noch nicht in Unruhe geraten. Aber mir fiel
auf, da ereignet sich gerade etwas von merkwürdig bitterem Geschmack.
Graphic Novelist Jörg Vogeltanz,
außerirdischer Künder von Unheil
Dann hat mir Jörg Vogeltanz, der Außerirdische, von dem
wir alle denken sollen, daß er ein Erdenkind sei, diese subversive Gabe des moralfreien
Institutes Sheng, hat mir also Vogeltanz einen Wisch übers Gesicht gezogen, der ließ
mich stutzig werden. Da steht zum Beispiel folgende Passage:
>>Und dann Frank. Seine Projekte. Seine Ruhe. Sein
Charme. Sein Chauffeur. Sein Golfclub. Seine Familie. Sein Cowboyhut. Seine Angestellten.
Sein Unternehmen. Seine Philosophie. Sein Geld. Sein Geld. Hier droht es mir schwindelig
zu werden, denn während ich neben Frank sitze und mich in Kathrins Lächeln sonne,
schwirren mir Zahlen im Hirn herum...<< (Quelle: "Simply Frank" von Monika
Wogrolly in "Living Culture")
Sie kennen das gewiß aus triviale Filmen mit zum Beispiel
Nicolas Cage: Zwei bunte, glasklare Flüssigkeiten fließen über umständlich verlegte,
transparente Leitungen zusammen, damit auch jeder sieht, was jetzt geschieht, reagieren in
einem gläsernen Sammelbehälter, die Bombe ist scharf, es knallt.
Für mich waren es gewissermaßen zwei Liköre, die sich
gerade vermengt haben. Da machte es in meinem Kopf BOING. Und zwar folgendermaßen:
a) Autorin Andrea Wolfmayr demonstrierte kürzlich, wie man
einen Teil seiner eigenen Biographie in einen Groschenroman konvertiert und das ganze auf
etwas tückische Art einer Kleinstadt anheftet.
b) Monika Wogrolly, nicht bloß Autorin, sondern auch
Philosophin, führte dieser Tage vor, wie man bei einer Begegnung mit Frank Stronach ein
feuchtes Höschen bekommt und damit eine Kulturzeitung unterfüttert.
Quelle: Living Culture
Das wäre alles nicht weiter erwähnenswert, aber hier
erfüllt sich offenbar gerade das Leben einer Generation von Kunstschaffenden, die Graz
und die Steiermark mit so mancher Erfrischung beglückt hat. (Ich meine die
1950er-Jahrgänge, plus, minus ein paar Zerquetschte.) Nun scheint eine Art der
Spießer-Kultur zu reüssieren, da wirds mir doch in der Kehle etwas eng.
Mein Unmut erregt sich an der Gemengelage, die eben zur
Wirkung kommt. Die Brisanz der Mischung ergibt sich hauptsächlich aus einem ganz anderen
Themenschwerpunkt. Es ist die seit Jahren fortschreitende Abwertung von Wissensarbeit.
Niemand in meinem Milieu hat das kommen gesehen. Ich war
auch nicht wach genug, das zu kapieren, obwohl schon klar schien, daß das mit der
Wissensgesellschaft", wahlweise der Informationsgesellschaft" ein
ziemlicher Hype ist.
Statt daß nun die eine oder andere Allianz der Kunst- und
Kulturschaffenden entstünde, um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, reüssieren mehr
und mehr allerhand Spießer und Mittelschicht-Trutschen, die auf dem Kulturfeld Budgets
abräumen und der Branche beim Absacken helfen.
Pause.
Und, ja, ich werde mich hier noch ausführlicher erklären.
Sonst könnte man eventuell annehmen, ich wäre bereit, jemanden zu diffamieren. Nein, ich
darf mich gewissermaßen als Cyrano mit Tennisschläger vor Ihnen aufstellen, verbeugen
und ein paar scharfe Bälle zurückspielen. |