7. Oktober 2012 Anbetung und Anbiederung halte ich für sehr unerfreulich Züge. Da wir
offenbar in Österreich gerade eine zweite Phase der "Anbetung des Frank"
erleben, kann ich nur staunen, wie oft manche Äußerungen so beginnen: "Ich
würde ihn zwar nicht wählen, aber..."
Im Kielwasser solcher Zugänge rutscht eine Legion von
Leuten auf den Knien herum und zeigt verklärte Blicke. Das war schon einmal so. Als Frank
Stronach einige Betriebe in der Steiermark ansässig machte, wollten devote Grußadressen
in der Öffentlichkeit länger nicht enden.
Diese Knierutscherei liegt uns offenbar. Wir sind eben
Kinder der Gegenreformation. Das zeigt sogar die Gegenposition der Biederen. Ein
großzügiges Verachten, ein Ausschütten von Abschätzigkeit, ein eifriges Dagegenhalten
auf rein verbaler Ebene sind momentan vor allem in meinem Milieu von auffallender
Häufigkeit.
Ich kann beiden Positionen nichts abgewinnen. Und ich
begrüße es selbstverständlich, daß es eine pluralistische Gesellschaft ab und zu
erlebt, auf neue politische Formationen zu stoßen. Das darf ich dann an den Inhalten
bewerten.
Auch darin ist mir das politische Auftreten Frank Stronachs
keineswegs unangenehm, denn er bietet eine ganze Flut von Denkanstößen, die sich an sehr
plakativen, markanten Momenten entzünden können. Ich stelle erfrischt fest, daß mich
sein Tun noch nicht so taub sein läßt, wie das ewig gleiche Geblöke der
vaterländischen Kräfte im Land.
Ich mag auch diese verblüffende Widersprüchlichkeit in
manchen Punkten. Ein Beispiel: Was mag einen Milliardär (!) dazu bringen, sich explizit
als "Mann des Volkes" auszugeben? Das ist ja für sich schon so
skurril, daß man bei anderen Leuten den Arzt rufen würde, wenn sie von vergleichbarem
Selbstverständnis nicht abrücken wollten.
Übrigens, ich hab noch keinen Priester oder Philosophen in
einzelnen Auftritten derart oft das Wort "Wahrheit" ausstoßen gehört.
Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit! (Ich denke nicht, daß Wahrheit zu den Agenda der Politik
gehört.)
Ich lebe in einer Region, die Vollbeschäftigung genießt.
Das ist für Österreich keineswegs typisch. Das hat einiges mit der Industrie zu tun. Die
Oststeiemark, ein vormaliges "Armenhaus" Österreichs, ist nach dem Zweiten
Weltkrieg sehr wesentlich durch die Industrie in neue Verhältnisse gekommen.
Selbst eine Stadt wie Gleisdorf, wo man sich teilweise für
"bürgerlich" hält, also dem Agrarischen enthoben, wo man das Wesen einer
"Einkaufsstadt" beschwört, kommt rund ein Viertel der Kommunalsteuern von der
Industrie.
Es kann nicht ignoriert werden, wie vorteilhaft es ist,
wenn Wohnort und Arbeitsplatz eher nahe beieinander liegen. In unserer Region höre ich
von Unternehmern seit Jahren, sie würden mehr qualifizierte Fachkräfte brauchen als sie
bekommen.
Das hat auch Vorteile für unsere Kinder, denn die Region
verfügt über sehr verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten und ich weiß von meinem Sohn,
einem angehende Betriebselektriker, daß diverse Firmen aus der Gegend sich schon
beizeiten umsehen.
Mit dieser Skizze möchte ich deutlich machen, daß ich
nicht gering schätze, wenn jemand Industriestandorte in unserer Gegend hält, statt je
nach Profitmöglichkeit weiterzuziehen.
Ich weiß freilich auch, daß das Kompetenzlevel unserer
Facharbeiter und deren individuelle Befindlichkeit aufgrund des hohen Lebensstandards und
der vorzüglichen Infrastrukturen einige Faktoren ergeben, auf die ein Unternehmer nicht
ohne weiteres verzichten wird.
Das bedeutet, vor allem im High Tech-Bereich findet man bei
uns Arbeiterinnen und Arbeiter mit einem Niveau, in das man andernorts erst einmal enorm
investieren müßte. Wer demnach zu sehr schwärmt, er wolle seiner Heimat etwas
zurückgeben und sei deshalb mit Betrieben hier ansässig, unterschlägt dabei einige
Faktoren.
Wenn Frank Stronach auftritt, assoziiert er sich selbst
noch gerne mit Magna, dem Weltkonzern, den er mit seinen Teams aufgegeben hat. Er
ist freilich längst nicht mehr Boss dieses globalen Unternehmens. Aber er hat neue
Aufgaben gefunden und neue Unternehmungen angepackt.
So etwa eine Ölmühle, die Kernöl produziert. Man könnte
also sagen, Stronach sei in das Ölgeschäft eingestiegen. Ich wollte aber auf etwas
anderes hinaus. In diesen Zusammenhängen wird erkennbar, was da eigentlich geschieht.
Ich meine, Stronachs Einstieg in die Politik Österreichs
hat mehrere Gründe. Ein sehr wesentlicher davon ist "Guerilla Marketing".
Ich tippe darauf, daß Stronach so viele Jahrzehnte Sechzehnstunden-Tage gehabt hat, der
würde mit seinen 80 Jahren vermutlich tot umfallen, wenn er morgen auf Entzug ginge.
Und da er für keinen Weltkonzern mehr zuständig ist, hat
er freie Kapazitäten. Also kreiert er ein neues Produkt und geht daran, es zu vermarkten:
"Frank".
Daß er nun von seinem wohlverdienten und versteuerten Geld
ein paar Milliönchen in den Wahlkampf investiert und das als eine Zuwendung an
Österreich verkauft, unterschlägt die Tatsache, wie extrem teuer die Einführung neuer
Marken ist.
Das verschlingt heute astronomische Summen, ohne Gewähr
auf Erfolg zu bieten. Deshalb ist auch das Wiederbeleben alter, klingender Namen so
beliebt. Gerade die Automobilbranche ist reich an Beispielen dafür; Bugatti
& Co.
Es ist beim derzeitigen Zustand auch nur konsequent, die
Politik auf Bundesebene wie eine Firmengründung anzupacken, dabei so zu tun, als seien
zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft keine nennenswerten Unterschiede.
Schauen wir also, wie sich die Marke "Frank" entwickelt...
Siehe dazu auch: "Jetzt kommt Frank!" [link] |