30. September 2012Es scheint ein Festival der Krisen zu sein, Weihnachten für jeden
Kulturpessimisten.
Sinnkrise, Vertrauenskrise, Bildungskrise, Wirtschaftskrise, Budgetkrise, eine Krise der
Politik, eine Krise des Qualitätsjournalismus; die aktuelle Krisenliste könnte nun ein
Weilchen weitergeschrieben werden, um sich in wohliger Verzweiflung zu üben.
Kein Zufall, daß derzeit in Österreichs Tagespolitik gerade so viel von
Wahrheit" gesprochen wird. Es gehe um die Wahrheit, denn die Wahrheit und die
Wahrheit
Bei so viel Krise und Untergangsstimmung mußte ja jemand mit
Heilsversprechen antanzen. (Dem Milliardär ist nichts zu schwer!)
Ich hänge an der Überzeugung, das Wahrheit" vor allem zu den Agenda von
Theologie und Philosophie gehört, während ich mich im Alltagsleben lieber mit Fragen der
Redlichkeit befasse. Aber was heißt denn das?
Meine Vorstellung von Redlichkeit besagt, daß zwischen dem Denken, dem Reden und dem Tun
von Menschen eine Art Fließgleichgewicht herrschen solle. Daran finde ich interessant,
daß es den Menschen kein bestimmtes Lebenskonzept vorschreibt. (Nach diesen Kriterien
kann auch ein Ganove redlich sein.)
Was mich stört, sind Falschmünzer, Marktschreier, Taschenspieler, also Leute, die kein
Problem haben, andere hinters Licht zu führen.
So. Krise. Nicht schlecht! In der Antike herrschte die Auffassung, daß es ohne Krisis
keine Katharsis geben könne. So dachte Aristoteles über die Tragödie. Katharsis meint
einen reinigenden Prozeß", eine Läuterung der Seele". Das Wort
Krisis" steht eigentlich für Meinung, Beurteilung. Daher auch der Begriff
Kritik", bezogen auf ein Prüfen und Beurteilen von Angelegenheiten.
Ich bin in meiner Profession als Kunstschaffender inzwischen vielfältig unter Druck
geraten, was ich freilich mit Leuten anderer Professionen teile. Wir haben
Annehmlichkeiten eingebüßt, wir müssen in Summe mehr und härter arbeiten als vor
Jahren, um den vertrauten Standard auch nur halbwegs zu halten.
Das ist nicht lustig, aber offenbar notwendig. Not wenden. Naja. Österreich hat einen
Hang zum Operettenhaften. So hab ich in letzter Zeit allerhand Wehklagen und süße
Gesänge gehört, manchmal zum Verwechseln ähnlich.
Egal! Wir haben einen beschreibbaren Stand der Dinge. Das Beschreiben der Dinge nützt ja,
wo wir zu stichhaltigen Befunden kommen wollen, damit sich klären läßt, was zu tun ist.
Ich glaub, die Abfolge stimmt so. Schauen wir also, daß der letzte Punkt nicht
untern Tisch fällt
was zu tun ist. |
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