26. September 2012

In David Cronenbergs beunruhigendem Film "Cosmopolis" (2012) gibt es eine Stelle, an der die Chef-Ideologin von Eric Packer (Robert Pattison) sagt: "Geld hat seine narrativen Qualitäten verloren. So wie vor vielen Jahren die Malerei. Es führt nur noch Selbstgespräche."

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Ich bin etwas beruhigt, daß ich seitens Kulturschaffender noch solche Zeilen finden kann, auch wenn ich dafür über so manchen Tellerrand hinausschauen muß. In meiner näheren Umgebung sind mir viele Reaktionen auf den Zustand der Welt einfach zu unpoetisch.

Vielleicht sollte ich es zufriedenstellend finden, daß sich Menschen a) mit dem Status quo befassen und b) dazu auch öffentlich äußern. Aber ich kann diese Schrulle nicht überwinden, von Kulturschaffenden bin ich enttäuscht, wenn sie bloß in übliches Geplärre einstimmen.

Ich will es aus der Branche feiner formuliert bekommen, zumal mir das auch eine andere Art von Denkanstößen bietet.

Noch ein Detail zu Cronenberg. Ich hab ein Weilchen gegrübelt, woher ich denn dieses Gesicht kenne. Das der Chef-Ideologin mit dem interessanten Namen Vija Kinsky. Dann fand ich diese Züge in meiner Erinnerung. Schauspielerin Samantha Morton spielte in der Philip K. Dick- Verfilmung "Minority Report" (Steven Spielberg, 2002) das Medium Agatha. Nun weiß ich nicht, ob Cronenberg das absichtlich gemacht hat, aber es ist ein feines Detail.

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Der Zustand der Welt. Naja, daran ist natürlich zu rütteln, weil manches zurechtgerückt werden muß. Ich habe noch keine Klarheit, ob ich so allerhand der Aufregungen für Unfug halten soll, oder ob das die Arten der Erregung sind, die derzeit als angemessen gelten müssen.

Meine Skepsis bleibt intensiv. Da ist ein erschreckendes Schweigen in all der Geschwätzigkeit und dem großspurigen Getöse.

Ich denke, es war vor einigen Tagen der Journalist Hans Rauscher, in dessen Texten ich den Hinweis fand, daß wir uns wundern dürften, wie sehr doch einst die Menschen ihre Identität über das gesucht hätten, was sie lieben, während heute Identität über das konstruiert werde, was man haßt.

Ich stimme Rauscher in diesem Befund zu, nein, in der Hälfte davon. Ich habe keine Ahnung, wie Menschen früher Identität hergestellt haben. Was aber viele heute tun, dieses anschwellende Rotzen, das Plärren, über jemanden herfallen, gegen jemanden anrennen, so viel Abschätzigkeit und Verachtung, all das mißfällt mir sehr.

So beschreibt man die Welt auf dem Boulevard. Das ist die Boulevardisierung unserer Leben. Ich lehne solche Konzepte strikt ab. Da wird mir viel zu viel verallgemeinert und da wird im Weltekel gebadet, statt sich dieser tatsächlich sehr kniffligen Aufgabe zu stellen, aus all dem was zu machen, worauf man stolz sein könnte.

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Ich war heute wieder ein Weilchen mit meinem Sohn unterwegs, weil der gerade sein Leben völlig neu ordnet. Eigene Bude, eigener Lebensplan, eigene Zuversicht. Ich danke meinem Schicksal, daß sich der Kerl nicht von all dem Weltekel und von all der Abschätzigkeit hat vergiften lassen.

Ich bin auch nicht bereit, meinem Kind in so einer erbärmlichen Pose gegenüberzustehen. Unsere Leute haben sich Fürsten und Kaisern krumm machen müssen, sie haben die Tyrannis erlebt und waren darin teilweise Täter. Die Zeiten sind wahrlich schon mieser gewesen und es sollte uns einiges mehr gelingen, als am Stand der Dinge zu verzweifeln.

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