5. Juni 2012 Kurios, was der Vollmond so mit sich bringt. Gestern war ein Tag erheblicher
Unruhe. Reizbare Menschen konnten einem um die Ohren flattern. Für ich meist ein
unwiderstehliches Angebot, denn ich bin in meiner Streitlust über die Jahrzehnte nur
mühsam zivilisiert und wenn mich jemand rempelt, sind altvertraute Impulse wach wie eh.
Ich mag dieses englische Wort sehr: lunatic;
weniger wegen seiner genauen Bedeutung, sondern wegen seines Klangs. Es kommt an
prominenter Stelle in irgend einem Billy Joel-Song vor und ich kann mich nicht erinnern,
welcher Song das ist.
Im Surrealismus liegt oft Trost. Nicht in dem von Dali,
aber Buñuel. Ich habe mir kürzlich wieder "Das Gespenst
der Freiheit" (1974) herausgesucht. Da Mehrdeutigkeit auf diesem Feld nicht
aufgelöst werden muß (Surrealismus!), darf ja offen bleiben: Ist Freiheit als Phantom
bloß ein Phantasma? Oder ist sie ein Schreckgespenst, das uns in Angst versetzt?
Manchmal werde ich von Menschen behelligt, die haben ihren
sechzigsten Geburtstag in Griffweite, genießen alle Sicherheiten, die dieses wohlhabende
Land zu bieten hat, sind aber dennoch offenkundig nicht bereit, langsam selbst die
Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Darauf kann man eigentlich nur sagen: Buñuel!
Ich wäre geneigt, das Wort Buñuel als hitzige
Antwort auf die Leidensgeräusche einer Bourgeoisie zu verwenden, deren Navigationssystem
ausgefallen ist. Ich denke, es gefällt mir die Vorstellung, das Wort Buñuel
diesem ermüdeten Teil der Mittelschicht entgegenzustellen.
Aber ich geb es zwischendurch auch billiger. Momentan hau
ich mich wieder tiefer in das Thema Mobilitätsgeschichte hinein. Wir machen
dabei gerade verspielte Sachen. Etwa eine Bildpostkarte als Bastelbogen. Techniker Michael
Toson hat mir grade einen Prototypen geschickt: [link]
Es scheint so banal zu sein, alltäglich und
selbstverständlich: Ein Motor ist eine Maschine, die eine beliebige Energieform in
Bewegungsenergie umwandelt. Bewegungsenergie. Vielleicht kommt das gleich nach Buñuel.
Assoziativ weitergetragen: Ich denke, es ist ein Film von Fellini, womöglich aber sogar
von Pasoloni, da sagt ein Schulbub, der Faschismus habe die Arbeitslosigkeit
abgeschafft... und die Fliegen. (Ich tippe doch eher auf Fellini.)
Also. Ein Teil der Bourgeoisie mit ausgefallenem
Navigationssystem, darüber muß ich nun selbst noch eine Weile nachdenken... |